Kalter Trost: Island-Krimi (German Edition)
verstohlenen Lächeln.
»Ich weiß nicht«, erwiderte Jón überrascht. »Sechsundzwanzig, siebenundzwanzig vielleicht?«
»Du bist nahe dran. Vierundzwanzig. Und du? Du bist schon ziemlich alt, nicht wahr?«, sagte sie sanft.
»Ich bin achtunddreißig«, antwortete Jón. Er unterschlug dabei drei Jahre und wusste selbst nicht, warum.
Jón hatte Pizza besorgt. Elín und er kauerten auf der Bettkante, während zwei der Kinder auf Plastikstühlen saßen und das kleinste im Arm seiner Mutter lag und an einer Flasche nuckelte.
Der kleine Junge und seine jüngere Schwester kauten glücklich auf den würzigen Pizzastücken herum und tranken gierig Cola. Offensichtlich störten sie sich nicht an Jóns Anwesenheit. Ihr Blick war ständig auf den Fernseher gerichtet, wo ein englischer Zeichentrickfilm lief. Schließlich war nur noch eine Pizzaecke übrig, die beide Kinder haben wollten.
»Hört auf!«, rief Elín Harpa, als ein lautstarker Streit entbrannte. »Hört sofort auf! Sonst schalte ich auf einen anderen Sender um«, drohte sie, als die Kinder sie ignorierten.
Sie drückte auf die mit Klebeband umwickelte Fernbedienung, um ein anderes Programm einzuschalten. Die Kinder schrien angesichts dieser Ungerechtigkeit noch heftiger.
»Mach mal lauter, bitte«, sagte Jón plötzlich. Die Kinder schwiegen und blickten auf den Fernseher. Es wurde gezeigt, wie eine Reihe Streifenwagen in einer Wohnstraße parkte, die Jón auf Anhieb wiedererkannte.
»Mummy, was ist –?«, fing der kleine Junge an.
»Pssst!«, mahnte Jón. »Mach bitte lauter, ja?«
Ein ernst aussehender Nachrichtensprecher wurde eingeblendet.
»Vergangene Nacht wurde ein Mann tot in seinem Haus in Hafnarfjördur aufgefunden. Eine Presseerklärung der Polizei wird später am Tag erwartet. Über die Identität des Mannes werden keine Angaben gemacht, solange die Angehörigen noch nicht informiert sind«, verlas der Sprecher mit sonorer Stimme. »Gestern wurde in Akureyri …«
»Du kannst wieder umschalten. Ich wollte das nur kurz sehen.«
»Kanntest du den Mann?«, fragte Elín Harpa.
»Kann man so sagen. Ich habe mal für ihn gearbeitet.«
***
Diesmal spürte Gunna Hallur Hallbjörnsson zu Hause auf, in einem schicken Haus in einer von Bäumen gesäumten Straße am Rande von Vogar. Das Haus lag nur wenige hundert Meter von der stark befahrenen Sudurslandsbraut entfernt, wurde aber durch eine dicke Hecke vom Verkehrslärm abgeschirmt.
Hier wohnen Hallur, Helena Ros, Margret und Kristin Dröfn, verkündete ein handgefertigtes Schild neben der Haustür. Musik drang aus einem offenen Fenster im oberen Stockwerk, es musste also jemand zu Hause sein. Gunna drückte auf die Klingel und klopfte zusätzlich an. Ein Hund kläffte irgendwo im Haus, und durch ein kleines Fenster in der Tür sah Gunna jemanden kommen.
»Ja bitte?« Eine Frau mit kupferrotem Haar stand an der Tür und sah Gunna skeptisch an.
»Guten Tag«, grüßte Gunna. »Ich heiße Gunnhildur Gísladóttir und bin von der Kriminalpolizei, Dezernat für Gewaltverbrechen. Du bist sicher Helena Rós, nicht wahr? Ich würde gerne mit deinem Mann sprechen.«
»Wir wollen gleich zu Mittag essen. Wir haben Gäste«, erwiderte sie mit einer Mischung aus Enttäuschung und Verärgerung in ihrer piepsigen Stimme.
»Wer ist es denn, Helena?«, fragte eine vertraute Stimme. Als Hallur hinter seiner Frau erschien, war ihm kurz der Schrecken anzusehen, doch schnell hatte er sich wieder unter Kontrolle.
»Oh, guten Tag, Sergeant. Ich muss leider sagen, dass der Zeitpunkt ungünstig ist«, erklärte er und gab sich große Mühe, sein Unbehagen zu verbergen.
»Das ist mir klar, aber ich versichere dir, dass es sehr wichtig ist«, antwortete Gunna.
»Dann kommst du besser herein«, sagte er schicksalsergeben. »Helena, kümmerst du dich um unsere Gäste?« Er sah sie an und presste die Lippen zusammen. »Komm bitte mit. Wir gehen in mein Arbeitszimmer.«
Das mit Bücherregalen vollgestellte Zimmer im Keller erinnerte an sein Abgeordnetenbüro, war aber deutlich größer. Hallur setzte sich an den kleinen Schreibtisch und bedeutete Gunna, auf der anderen Seite Platz zu nehmen.
»Letzte Nacht wurde ein Mann in seinem Haus in der Setberg Straße erschossen. Hast du schon davon gehört?«, fragte Gunna und kam direkt zur Sache.
»Ich habe heute Morgen etwas im Radio darüber gehört, aber ich bin gestern erst spät ins Bett gekommen und habe nicht richtig zugehört.«
»Die Identität des Opfers
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