Kalter Trost: Island-Krimi (German Edition)
wollte?«
»Nicht die geringste, Sergeant. Wenn du jetzt bitte entschuldigst, wir haben Gäste.«
»Sie lassen dir bestimmt etwas übrig. Wann hast du Bjartmar zuletzt gesehen?«
»Vor seiner Reise in die USA«, sagte Hallur genervt.
»Und den Rest von Svanas Club?«
»Letzte Woche habe ich Bjarki ein- oder zweimal getroffen. Seine Kanzlei kümmert sich um die Buchhaltung der Werbeagentur meiner Frau. Außerdem sind wir alte Freunde.«
»Er hat kein Alibi.«
»Bjarki? Du liebe Zeit, er würde keiner Fliege etwas zuleide tun, ganz zu schweigen von einem Menschen. Svana war so fit und gesund, sie hätte Hackfleisch aus ihm machen können.«
»Bjartmar war im Ausland. Du warst im Parlament. Jónas Valur hat kein wasserdichtes Alibi, und Bjarki hat überhaupt keins. Ich gehe nicht davon aus, dass einer aus eurem Club Svana Geirs umgebracht hat, aber du musst zugeben, dass ihr alle in Frage kommen könntet. Dein Motiv könnte sein, dass deine politische Karriere in Gefahr ist, wenn sie das Arrangement öffentlich gemacht hätte.«
»Meinst du?« Hallur lachte bitter. »Wenn die Wahrheit über das Treiben der Politiker in den Schlafzimmern dieses Landes bekannt würde, wäre morgen mehr als die Hälfte von uns nicht mehr im Amt.«
»Hast du je andere Bekannte von Svana kennengelernt?«
»Was? Du meinst Freunde? Nein. Ich glaube nicht, dass sie normale Freunde hatte. Sie hatte Leute, die ihr nützlich waren. Manchmal habe ich sie zufällig mit Kunden aus dem Fit Club getroffen, normalerweise mit schicken Frauen, deren Gesellschaft sie suchte. Manchmal auch mit Männern, aber nicht oft. Einmal hat sie im Fit Club mit einem koboldähnlichen Mann herumgealbert, der sich als ihr Bruder entpuppte. Das fand ich ein bisschen seltsam, weil Svana keine Familie zu haben schien.«
»Wieso?«
»Sie hat ihre Familie nie erwähnt. Ich weiß, dass sie nicht hier aus der Gegend stammte, aber ich habe keine Ahnung, wo sie aufgewachsen ist. Es klingt seltsam, aber es passt irgendwie nicht zusammen.«
»Wieso?«, wiederholte Gunna.
»Ich weiß nicht«, antwortete Hallur. »Sie hatte keine Beziehungen, wie andere sie haben, und von ihren Eltern hat sie nie gesprochen. Herauszufinden, dass sie eine Familie hatte, war ein wenig so, als hätte man ein peinliches Geheimnis entdeckt, das sie lieber für sich behalten hätte.«
***
Gunna verließ Hallurs schickes Haus. Der finstere Abschiedsblick seiner Frau war ihr noch lebhaft in Erinnerung, während sie in die Hverfisgata zurückfuhr und über die Unterhaltung nachdachte. Sie nahm sich vor, Björgvin aus dem Dezernat für Wirtschaftskriminalität zu fragen, ob er etwas über Bjarki Steinssons Aktivitäten wusste. Als Buchhalter und Steuerberater erledigte er zweifellos geschäftliche Angelegenheiten für die Firmen seiner Freunde. Zwar wusste sie, dass Björgvin sich auf allgemeine Äußerungen beschränken würde, aber auch sein Verhalten würde ihr einiges verraten.
Irgendetwas, was Hallur gesagt hatte, erinnerte sie an einen Gedanken, der ihr vor einigen Tagen durch den Kopf geschossen war. Sie hatte ihn nicht weiterverfolgt, weil er in einem Wust anderer Dinge untergegangen war. Sie eilte durch den Regen und brummte vor sich hin, dass es aus einem beinahe klaren Himmel eigentlich nicht regnen konnte. Statt in ihr Büro zu gehen, stieg sie ein Stockwerk höher, wo sich die Zellen befanden. Sie hörte ein lautes Schnarchen hinter einer der Zellentüren.
Ein älterer Mann torkelte in Schlangenlinien von der Toilette zu seiner Zelle zurück, gefolgt von einer Gefängnisaufseherin. Als die beiden Gunnas Schritte hörten, drehten sie sich um.
»Hallo, Gunna, meine Süße«, krächzte der grauhaarige Mann.
»Hast du wieder die ganze Nacht durchgesoffen, was, Maggi?«
»Naja, Gunna. Du weißt ja, wie es manchmal so ist. Mit einem kleinen Drink kommt man nicht weit«, antwortete er und gähnte.
»Jetzt komm, Maggi«, sagte die Gefängnisaufseherin aufmunternd. »Du kannst noch ein paar Stunden schlafen.«
Der alte Mann torkelte weiter und stützte sich mit einer Hand an der Wand ab. Die Frau schloss die Tür hinter ihm ab und beobachtete durch das Guckloch in der Tür, wie er sich auf der Matratze niederließ.
»Du bist doch Gunnhildur, stimmt’s?«, fragte sie dann. »Ich dachte mir schon, dass ich dich kenne.«
»Das ist richtig«, antwortete Gunna überrascht. »Bist du Kaya?«
»Ich habe den Artikel über dich in der Zeitung gelesen, irgendwann letztes Jahr.«
»Oh,
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