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Kalter Weihrauch - Roman

Kalter Weihrauch - Roman

Titel: Kalter Weihrauch - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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hinter mir an der Wand und alle Heiligen sind meine Zeugen. Warum hätt ich denn der Suse so was antun sollen? Die hätt doch meine Tochter sein können! Sie glauben doch nicht, dass ich einer jungen Frau die Händ um den Hals leg und …« Er verstummte.
    »Die Suse war schwanger«, sagte Pestallozzi leise. »Und man wird die DNA von dem Fötus feststellen können. Deshalb …«
    »Meine DNA können S’ haben! Auf der Stelle!« Der Loibner riss seinen Mund so weit auf, dass man im Gebiss sämtliche Plomben sehen konnte, die alle aus Amalgam waren, am Loibnerhof floss jeder ersparte Groschen in neues Gerät und Futter und Saatgut, nicht in Zahngold und Jacketkronen.
    »Machen S’ den Mund wieder zu«, sagte Pestallozzi. Er klang ziemlich müde. Der Loibner klappte den Mund wieder zu. So saßen sie da, und die Uhr tickte.
    »Mein Mann ist einer, der sich gern überall unbeliebt macht«, sagte die Hanni Loibner plötzlich in das Schweigen hinein. »Der kann ganz schön anstrengend sein, das weiß niemand besser als ich. Aber er ist keiner, der anderen Frauen schöne Augen macht oder den Jungen hinterher scharwenzelt. Das tät ich mir auch verbieten. Appetit kannst dir überall holen, aber gegessen wird zu Haus, das hab ich ihm schon bei der Hochzeit gesagt. Und so funktioniert das bei uns seit über 20 Jahren. Mein Mann hat die Suse ein Stück im Auto mitgenommen, dann ist er zum Alois gefahren und dann ist er zum Abendessen heimgekommen. Einen Reisauflauf mit Kompott hat’s gegeben. Und er hat es mir ja gleich erzählt, das mit der Suse. Und ich hab noch gesagt, dass die jungen Madeln heute alle deswegen solche Probleme mit dem Kinderkriegen haben, weil sie sich nie warm genug anziehen. Ich hab ja nicht wissen können, dass die Suse schon …«
    »Und warum haben Sie uns das alles nicht früher erzählt? Jede Minute ist wichtig, die wir rekonstruieren können, das muss doch auch Ihnen klar sein!«
    Aber die Loibners hielten sich nur bei der Hand und sahen trotzig drein. Verständlich, keiner riss sich darum, in einen Mordfall verwickelt zu werden, noch dazu als Verdächtiger. Da hoffte und bangte man lieber, dass man nicht gesehen worden war, und blieb still auf der Küchenbank sitzen und muckste sich nicht, bis alles vorüber war. Oder bis eben die Polizei ins Haus hereingeschneit kam und man nicht anders mehr konnte, als mit der Wahrheit herausrücken. Wie oft hatte er das schon erlebt, dass kostbare Zeit vertan wurde, Spuren verwischt, falsche Schlüsse gezogen wurden. Nur weil einer den Mund nicht aufbrachte. Pestallozzi seufzte, dann schlug er mit der flachen Hand auf die Tischplatte, sogar die Loibnerin zuckte zusammen.
    »Dann bedanke ich mich sehr herzlich für Ihre freundliche Mitarbeit«, sagte Pestallozzi und stand auf. Der Loibner sah betreten drein. Leo stand ebenfalls auf. Komisch, so sarkastisch kannte er den Chef gar nicht. Aber bei diesem Fall war der schon die ganze Zeit anders. So, so … Pestallozzi nickte dem Ehepaar zu, sie verließen die Wohnküche und gingen durch den eisigkalten Flur hinaus ins Freie. Ein Misthaufen ragte in der Dunkelheit auf wie ein riesiger Maulwurfshügel. Jetzt, wo auf der Straße weniger Verkehr war, konnte man das Scheppern von Ketten aus dem Stall hören.
    »Hätten wir dem Loibner nicht doch eine DNA-Probe abnehmen sollen?«, fragte Leo beinahe schüchtern.
    Pestallozzi ließ den Blick über das Wohnhaus und den Stall wandern, über den Misthaufen und die rostigen Tonnen, die unter einem Vordach standen. »Der läuft uns schon nicht davon, der Loibner.«
    Leo nickte. Allerdings, einen wie den Loibner konnte man sich beim besten Willen nur auf diesem Hof vorstellen. Und ganz bestimmt nicht in Brasilien oder sonstwo, wo Bankräuber und Mörder Zuflucht fanden. Ja, nicht einmal in Salzburg. Der würde hier hocken bleiben wie früher die Sturschädel in den Bauernkriegen und auf seine Häscher warten. Zu denen er, der Leo, nur ungern gehören würde. Denn der Loibner hielt dann bestimmt eine Mistgabel in der Hand. Das würde zu dem passen! Aber einer jungen Frau die Hände um den Hals legen, das … Leo wurde plötzlich ganz aufgeregt: »Er hat nicht gewusst, dass die Suse mit ihrem Stirnband erdrosselt worden ist! Sondern er hat geglaubt, dass sie mit den bloßen Händen …«
    »Vielleicht hat er auch nur so getan, als ob er das nicht wüsste.«
    »Hmm, hmm.«

    *

    Es war ein langer Tag gewesen. Die Heizung im Wagen erwärmte nur langsam ihre steifen Finger

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