Kalter Zwilling
ihrer Freundin hier aufgetaucht war, war er jeden Tag zu McDonalds gefahren, nur um dieses wundervolle Mädchen - welches der mittelalterlichen Marie bis aufs Haar glich - zu betrachten. Doch dann war alles schiefgelaufen. Seine Marie, oder Sandra Schwanengel - so lautete ihr richtiger Name - hatte ihn wegen Belästigung anzeigen wollen. Jetzt konnte er sie nur noch durch ein Fernrohr betrachten. Das hatte ihn eine Stange Geld gekostet und es war nicht dasselbe. Er blickte Emily ins Gesicht. Dieses junge Ding hier brachte ihm immer nur Ärger! Eigentlich sollte er ihr diesmal nicht helfen.
»Das sind besonders gefühlskalte Täter. Sie können keine Angst, keine Reue und keine Liebe spüren.« Emily lächelte den Archivar aufmunternd an.
Dietrich Hellenbruch seufzte. Wenn dieses junge Ding ihn mit feurigen Augen anlächelte, konnte er nicht widerstehen.
»Also gut, dann lassen Sie uns nachschauen.«
Der Kreisarchivar verschwand in einem kleinen Hinterzimmer und kam nach einer Weile mit einem dicken alten Buch wieder heraus. Abermals schob er seine Brille nach oben und blätterte dann angestrengt in den staubigen Seiten.
»Lassen Sie mich mal schauen«, murmelte er, während seine Finger langsam über die abgenutzten Seiten fuhren. »Hier habe ich etwas.« Sein Finger hielt inne. »Im Herbst des Jahres 1496 wurde der Zonser Schmied ermordet in einem kleinen Wäldchen vor den Stadtmauern aufgefunden. Dem Knaben Tilmann wurden drei Finger von einem Unbekannten in einer schwarzen Kutte abgerissen. Eine verbrannte Frauenleiche wurde vor den Stadttoren entdeckt.«
Der Kreisarchivar fuhr mit seinem Finger weiter nach unten. »Und Bastian Mühlenberg hat eine Bande von Münzfälschern dingfest gemacht. Ist davon etwas interessant für Sie?« Dietrich Hellenbruch klappte das Buch zu und betrachtete Emily mit lüsternem Blick.
Emily sah ihm nicht in die Augen. »Gibt es denn Beschreibungen zu den Tätern? Vielleicht wurde ein Verhör aufgezeichnet.«
Dietrich Hellenbruch schüttelte missmutig den Kopf. »Das sind uralte Mordfälle. Die Befragungen, die meist im Juddeturm stattfanden, wurden nicht protokolliert. Die Stadtwache war früher viel zu sehr mit ihren Foltermethoden beschäftigt. Niemand hätte freiwillig den Protokollführer gespielt.« Der Kreisarchivar setzte ein teuflisches Grinsen auf. Er hatte sich so in Rage geredet, dass dabei ein paar große Speicheltropfen durch die Luft sausten. Emily sprang angewidert einen Schritt zurück.
Der Archivar ließ sich nicht beirren. Er wischte sich mit einer hastigen Geste die Lippen trocken und fuhr fort: »Es könnte sein, dass Bastian Mühlenberg bestimmte Auffälligkeiten in seinen Notizbüchern vermerkt hat, aber das ist in meiner Übersicht nicht dokumentiert.« Emilys enttäuschter Blick ließ Dietrich Hellenbruch in seinem Redeschwall stocken. Seine Augen wanderten von ihren großen rehbraunen Augen hinab zu ihrem schlanken weißen Hals. Die Begierde ließ seinen Mund feucht werden. »Also gut. Sie erinnern sich doch noch an den Karteikasten hinten bei den großen Archivregalen? Schauen Sie dort nach. Die Notizbücher von Bastian Mühlenberg liegen alle im Regal B80.« Mit diesen Worten humpelte Dietrich Hellenbruch in Richtung der Toilette davon und ließ Anna und Emily alleine im Vorraum des Kreisarchivs stehen.
...
Petra Ludwig spürte, wie sich langsam Blasen unter ihrem großen Zeh bildeten. Verflucht, in der Eile hatte sie vergessen, Socken anzuziehen. Sie hatte nicht damit gerechnet, dass die Klinikverwaltung der Universität zu Köln sich am anderen Ende des Campus befand. Noch weniger war ihr im Vorfeld klar gewesen, wie groß dieses Gelände eigentlich war. Petra biss die Zähne zusammen. Es konnte nicht mehr weit sein und nach der Befragung würde sie sich in der nächsten Apotheke Pflaster besorgen. Ihr Handy klingelte und lenkte sie augenblicklich von ihren Schmerzen ab. Im Display erkannte sie die Nummer von Ingrid Scholten. Schnell hob sie ab.
»Der Täter muss durch den Lüftungsschacht in das Büro von Professor Neuhaus eingedrungen sein. Ich habe relativ frische Blutspuren am Gitter entdeckt. Meine Mannschaft führt zurzeit genauere Untersuchungen durch. Wir wollen herausfinden, welchen Weg der Täter genommen hat und wo er eingestiegen ist.«
»Das ist ja interessant.« Petra Ludwig wunderte sich, warum er nicht einfach durch die Vordertür hineingegangen war. Die Antwort kam, bevor sie fragen konnte.
»Der Mörder ist
Weitere Kostenlose Bücher