Kaltes Blut
wird älter und seine Liebschaften jünger. Kommt mir alles irgendwie bekannt vor. Ich wusste bis eben nichts von dir, ich hatte nur eine vage Vermutung, dass da eventuell eine andere im Spiel sein könnte. Jetzt weiß ich’s wenigstens. Nichts für ungut und viel Glück.«
Julia Durant begleitete Annette zurück zu Kuhns BMW und sagte zu ihr: »Ich möchte ihm nur noch kurz etwas mit auf den Weg geben.« Sie machte die Beifahrertür auf und stellte einfach das Radio aus. »Ciao, mein Lieber. Und vielen Dank für einige heiße Nächte. Aber sie waren nicht so toll, dass ich diesen Nächten nachtrauern müsste. Tja, das war’s dann – Schatz! Übrigens, du könntest ein richtig netter Typ sein – wenn du nicht so’n Arschloch wärst. Behandle Annette gut, sie ist noch sehr jung und wahrscheinlich sehr verliebt und hat eigentlich einen verlogenen Kerlwie dich gar nicht verdient. Und bitte, ruf nie mehr an und lass dich nie mehr bei mir blicken.«
Kuhn schaute sie aus großen Augen an, unfähig, etwas zu erwidern.
»Tschüs, Annette«, sagte sie noch zu ihr, die alles mitgehört hatte und wortlos einstieg.
Durant blieb noch stehen, die Hände in den Taschen ihrer Shorts vergraben, Kuhn versuchte aus der engen Parklücke, in die er offenbar so mühelos hineingekommen war, herauszufahren. Er schaltete den Rückwärtsgang ein, rutschte von der Kupplung ab (die reine Nervosität, dazu eine Frau neben ihm, die ihn schon jetzt mit Fragen löcherte) und fuhr auf einen hinter ihm stehenden Landrover auf. Das Glas seines linken Rücklichts zersplitterte. Kuhn schimpfte, stieg aus, schaute, ob auch an dem andern Auto etwas kaputtgegangen war, besah sich kurz den eigenen Schaden, schüttelte den Kopf und warf Durant, die grinsend dastand, einen verächtlichen Blick zu. Nach zwei Minuten hatte er es schließlich geschafft, aus der Parklücke, die ihm in den letzten Minuten wie ein Gefängnis erschienen sein musste, herauszukommen, und gab Gas. Sie sah die Bremslichter aufleuchten, bevor er rechts um die Ecke fuhr. Dann schlenderte sie gemächlichen Schrittes nach Hause, warf den Schlüssel aufs Sideboard, holte sich eine Dose Bier aus dem Kühlschrank und stellte sich ans offene Fenster. Ihre Gedanken waren weit weg. Sie trank die Dose zur Hälfte leer, ging ins Bad und wusch sich die Hände. Warum sie es tat, wusste sie nicht, vielleicht, weil sie die Reisetasche angefasst hatte, die Kuhn gehörte. Ein Blick in den Spiegel – sie kam sich nach dem Zusammentreffen mit Annette unendlich alt vor. Ich bin doch eine blöde Kuh, dachte sie kopfschüttelnd, da kommt dieser Arsch mit seiner Neuen an, und ich geb ihr auch noch Ratschläge! Julia, du wirst es nie lernen. Sie rauchte noch eine Zigarette, drückte sie aber nach der Hälfte aus. Allmählich begriff sie, welch perfides Spiel wieder einmal mit ihr getrieben worden war.
Sonntag, 2.45 Uhr
Sie hatte bis um zwei Uhr mal vor sich hin gedämmert und mal geheult wie ein kleines Kind, die vergangenen zwei Jahre liefen wie ein endloser Film an ihrem inneren Auge vorbei. Sie war wirklich so naiv gewesen zu glauben, in Kuhn einen Mann gefunden zu haben, mit dem sie alt werden könnte. Und wieder einmal hatte sie einen Tritt bekommen. Sie stand dreimal auf, um zur Toilette zu gehen, rauchte eine Zigarette nach der andern, stellte sich ans offene Fenster; die Nachtluft war kühl, sie spürte sie aber nicht. Warum besteht mein Leben immer nur aus Enttäuschungen?, fragte sie sich in Gedanken. Warum kann ich nicht einmal wirklich glücklich sein? Liegt es an mir? Natürlich, an wem denn sonst. Aber warum immer ich? Sie fand keine Antworten auf ihre Fragen und würde vermutlich auch nie welche erhalten. Sie war zwar eine gute Polizistin, das wurde ihr zumindest immer wieder attestiert, doch was nützte ihr die Anerkennung im Beruf, wenn sie privat nichts auf die Reihe brachte? Sie hätte schreien können vor Wut und Enttäuschung, den ganzen Frust einfach hinausschreien, aber sie brachte es nicht fertig, es war nicht ihr Stil. Außerdem war es mitten in der Nacht, und die Nachbarn wären sicher alles andere als erfreut gewesen über diese Ruhestörung. Irgendwann hielt sie es nicht mehr aus, griff zum Telefon und tippte die Nummer ihres Vaters ein. Sie wollte nach dem zehnten oder zwölften oder fünfzehnten Klingeln (sie hatte nicht mitgezählt) schon auflegen, als am andern Ende abgenommen wurde.
»Ja, bitte?«, fragte die verschlafene Stimme.
»Paps, ich bin’s. Entschuldige,
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