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Kaltes Blut

Kaltes Blut

Titel: Kaltes Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Franz
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stattdessen spazieren oder renn dir die Seele aus dem Leib oder mach irgendwas anderes, aber lass die Zigaretten sein. Sie sind nicht gut für dich.«
    »Das heute war ein Ausrutscher, ich bin ja schon dabei, aufzuhören. Aber dass Dominik so ein Schwein ist, hätte ich nicht für möglich gehalten.«
    »Denk nicht mehr an ihn, er ist es nicht wert. Seine Entscheidungen sind nicht deine. Also, Kopf hoch, auch wenn’s abgedroschen klingt, und du weißt, du kannst mich jederzeit besuchen. Und jetzt versuch, ein wenig zu schlafen, und nimm dir etwas für morgen vor. Blödsinn, wir haben ja schon heute. Also, nimm dir was für heute vor. Einverstanden?«
    »Einverstanden. Und danke.«
    »Wofür? Dass du mich mitten in der Nacht anrufst? Ich bin immer für dich da, und das weißt du auch. Und daran wird sich auch nichts ändern. Und jetzt schlaf gut.«
    Sie legte auf, Tränen liefen über ihr Gesicht, sie wischte sie mit beiden Händen ab. Auf einmal musste sie lachen. Sie legte sich auf die Couch, einen Arm hinter dem Kopf, machte die Augen zu und befahl sich, einfach an nichts zu denken. Sie schlief vier Stunden.

Sonntag, 7.30 Uhr
    Als sie aufwachte, fühlte sie sich wie gerädert. Ihr linker Arm war taub von der unnatürlichen Stellung, es dauerte mehrere Minuten, bis die Blutzirkulation auch in den Fingerspitzen funktionierte, was sich anfangs wie Millionen kleiner Nadelstiche anfühlte. Sie setzte sich auf, schüttelte ein paarmal kräftig den Arm und sah zum Fenster. Der Himmel war wolkenlos, die Sonne hatte bereits jetzt eine enorme Kraft, es würde ein heißer Tag werden. Sie hatte Hunger, aber keinen Appetit. Sie erledigte ihre Morgentoilette und zwang sich, wenigstens ein Schälchen Cornflakes zu essen und eine Tasse Kaffee zu trinken. Der automatische Griff zu den Zigaretten – sie dachte an das, was ihr Vater vor wenigen Stunden gesagt hatte, und legte die Schachtel wieder zurück.
    Julia, sagte sie zu sich selbst, egal, was passiert ist, du wirst diesen Tag gut werden lassen. Sie beschloss, nach Hattersheim zu fahren, Fragen stellen. Es gab noch zwei Adressen von Mädchen, mit denen Selina befreundet war, und sie wollte den Gerbers noch einen kurzen Besuch abstatten, wegen Mischner.
    Sie zog sich an, Bluse, Jeans und Turnschuhe, legte einen Hauch Make-up auf, vornehmlich um die Ränder unter den Augen zu kaschieren, damit nicht gleich jeder sah, wie schrecklich ihre Nacht gewesen war. Da sie nicht zu früh dort auftauchen wollte, räumte sie das trockene Geschirr in den Schrank und das Besteck in die Schublade, stellte das Radio an und schaltete um auf HR 3, nach FFH stand ihr vorläufig nicht der Sinn. Sie spielten die aktuellen Hits, dazwischen Berichte zu einem Thema, das sie nicht interessierte. Mit ihren Gedanken war sie ohnehin weit weg.
    Mit den Zehn-Uhr-Nachrichten machte sie die Fenster zu und kippte sie, zog den Vorhang vor, nahm das Handy von der Ladestation, steckte es in die Tasche, ein letzter Blick zurück, bevor sie zum Wagen ging. Auch hier schaltete sie auf Kanal 89.3, HR 3. FFH war gestorben, genau wie Dominik Kuhn. Bevor sie startete,sah sie noch einmal auf den Zettel mit den Adressen, Miriam Tschierke, Südring, und Katrin Laube, Erlesring. Als Erstes jedoch würde sie einen Abstecher zu den Gerbers machen.
    Sie öffnete beide Seitenfenster und das Schiebedach und genoss die noch angenehme Luft. Unterwegs überlegte sie, bei Hellmer anzurufen, entschloss sich aber, es sein zu lassen, sie wollte ihm den Sonntag mit seiner Familie nicht verderben. Es reichte schon, wenn sie nicht so gut drauf war. Sie hielt an einem Kiosk, holte sich die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, einen Schokoriegel, eine Dose Cola und eine Schachtel Zigaretten, wobei sie hoffte, sie nicht anrühren zu müssen. Sie wünschte sich die Kraft, diesem Verlangen zu widerstehen.
    Um halb elf stellte sie ihren Corsa in der Linsenberger Straße ab. Sie sah keinen Menschen auf der Straße, keine Spaziergänger, nicht einmal Kinder. Der Ort lag wie ausgestorben. Und das bei diesem Traumwetter, dachte sie kopfschüttelnd und ging die wenigen Meter zu Gerbers Haus. Er schien nicht einmal sonderlich überrascht, sie zu sehen.
    »Hallo, Frau Durant. Kommen Sie rein. Meine Frau ist nicht da, sie ist in der Kirche. Und da einer von uns auf die Kinder aufpassen muss, habe ich mich dazu bereit erklärt.«
    »Ich hoffe, ich störe nicht«, sagte Durant.
    »Nein, nein, ich habe nur ein wenig an meinem neuen Buch

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