Kaltes Blut
Kleine? Ach was, ich frag sie selber, während du einlädst.« Sie ließ die Tasche einfach fallen, etwas zerbrach, vermutlich sein mundgeblasenes Lieblingsbierglas aus Murano, das er vor drei Jahren von seinen Kollegen bei der Zeitung zum Geburtstag geschenkt bekommen hatte. Ihr war es egal. Sie machte einfach die Beifahrertür auf – die Frau war blond und höchstens fünfundzwanzig.
»Hi, ich bin Julia. Und du? He, wir können uns ruhig duzen, wir haben schließlich einen gemeinsamen Freund. Das heißt, er war mein Freund. Wie heißt du denn?«, fragte sie frech.
»Annette.«
»Freut mich, Annette.« Durant reichte ihr die Hand, die Annette nur zögernd nahm. »Steig doch aus, ich würde mich gerne einen Moment mit dir unterhalten. Nur eine Sekunde, unter Frauen. Und keine Angst, ich beiß nicht, auch wenn ich ein weiblicher Bulle bin.«
»Ich weiß nicht«, sagte sie verschüchtert und mit hochrotem Kopf, gab aber schließlich nach. Sie war eine Idee größer als die Kommissarin, hatte glattes, langes Haar und eine Topfigur, um die Durant sie beneidete. Aber sie war schließlich auch mindestens zehn, wahrscheinlich sogar mehr Jahre jünger.
»Arbeitet ihr zusammen?«
»Ja.«
»Dann weiß ich wenigstens, wo er die ganzen Überstunden verbracht hat. Weißt du, mir hat er immer erzählt, der Job würde ihn so aufreiben. Anfangs hab ich’s ihm abgekauft, aber irgendwannist da doch ein kleiner Verdacht in mir hochgekommen, na ja, wie schon gesagt, ich bin bei der Polizei …«
»Julia, es reicht. Mach’s gut, Annette und ich fahren jetzt. Es ist nicht so, wie du denkst«, sagte er und nahm Annette bei der Hand und wollte sie zum Auto ziehen.
»Dominik, Schatz, jetzt bin erst mal ich dran. Husch, husch, ins Auto und warte, bis wir fertig sind. Ich habe mit Annette etwas zu besprechen. Und wenn du nicht tust, was ich sage, wird Mutti richtig sauer«, erklärte sie mit drohender Stimme und Respekt einflößendem Blick, dem Kuhn nicht gewachsen war.
Kuhn zögerte zunächst, trottete sich dann aber doch murrend, zündete sich eine Zigarette an, setzte sich hinters Lenkrad und stellte das Radio auf volle Lautstärke, dass man die Musik in einem Umkreis von mindestens hundert Metern hören konnte.
»Wie lange geht das schon zwischen euch? Sei ehrlich, ich mach dir auch keine Vorwürfe. Ein halbes Jahr oder länger?«
»Seit Weihnachten«, antwortete Annette leise. »Aber ich wusste wirklich nicht …«
»Hat er dir von mir erzählt?«
»Schon. Aber er hat gesagt, ihr beide wärt nur gute Freunde und er hätte ein paar Sachen bei dir deponiert …«
»So, nur gute Freunde? Weißt du was, Annette«, Durant legte einen Arm um ihre Schulter und zog sie einfach mit sich, »Dominik ist nicht mein erster Reinfall. Weißt du, was er gestern Nacht noch zu mir gesagt hat? Er hat gesagt, er würde mich über alles lieben und ich sollte mir das alles doch noch mal reiflich überlegen. Warum hat er das wohl gesagt? Hast du eine eigene Wohnung?«
»Nein, ich wohn noch bei meinen Eltern, aber wir wollten zusammenziehen.«
»An deiner Stelle würde ich nicht vorschnell handeln. Und beruflich? Was hat er dir versprochen? Die große Karriere, oder gar die große Liebe?«
Annette zuckte nur mit den Schultern.
»Also beides. Typisch. Und du glaubst es ihm, nur weil er älter ist und ein richtig toller Hengst dazu, mehr im Beruf als privat, wenn ich das so sagen darf.« Sie blieben stehen, Julia Durant sah Annette an, die ihr sogar ein bisschen Leid tat und sichtlich überfordert schien mit der Situation. »Aber so ein toller Hengst ist er nun auch wieder nicht. Was er mit mir gemacht hat, macht er vielleicht auch schon bald mit dir. Ist die ganze Sache dir das wert? Denk drüber nach, Männer wie er ändern sich nie. Sie versprechen dir das Blaue vom Himmel herunter, und wenn sie genug von dir haben, lassen sie dich wie eine heiße Kartoffel fallen. Ich bin ehrlich gesagt froh, dass du mitgekommen bist, es macht mir die Entscheidung noch viel, viel leichter. Und noch was: Ich habe nichts gegen dich, ehrlich. Du bist vermutlich auch auf seinen Dackelblick hereingefallen, genau wie ich. Und bis gestern hat er beides gehabt, dich und mich. Wenn’s bei mir nicht ging, standst du zur Verfügung und umgekehrt. Aber ich hab ihm einen Strich durch die Rechnung gemacht. Jetzt hat er nur noch dich. Deshalb pass gut auf dich auf.« Und nach einer kurzen Pause: »Wie alt bist du, wenn ich fragen darf?«
»Einundzwanzig.«
»Hm, er
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