Kaltes Blut
und uns mit den Leuten vom Reiterhof unterhalten, wobei mich vor allem die Männer interessieren. Ich bin überzeugt, dass wir dort fündig werden, und wenn es nur ein Hinweis ist, der uns auf die richtige Spur lenkt.«
»Du wirst auf Granit beißen, das garantiere ich dir«, bemerkte Nadine, während sie einen Teller mit verschiedenen Sorten Wurst belegte. »Ich hab dir schon mal gesagt, wie die Leute hier sind. Da tut keiner dem andern weh.«
»Da hat schon jemand zwei Menschen mehr als nur wehgetan. Ich knack die schon irgendwie.«
Die Geräusche aus dem Keller hatten aufgehört, Frank und Stephanie kamen in die Küche, Hellmer rubbelte die nassen Haare mit einem Handtuch ab. »Na, auch schon da? Wie wär’s mit einem Sprung ins Becken? Macht sofort putzmunter.«
Durant überlegte nicht lange. »Nadine, würdest du mir einen Badeanzug leihen?«
»Wieso fragst du noch? Du weißt doch, wo meine Badeanzüge sind. Bedien dich, ich komm hier schon allein zurecht.«
»Steffi und ich, wir ziehen uns jetzt erst mal um. Bis gleich«, sagte Hellmer.
Julia Durant begab sich in den Keller, nahm aus dem Kiefernschrank einen passenden Badeanzug und zog sich um. Sie sprang ins Wasser, das eine angenehme Temperatur hatte, schwamm eine Viertelstunde mit aller Kraft, als wollte sie sich den ganzen Frust der letzten Tage wegschwimmen, bis sie ausgepumpt, aber irgendwie auch zufrieden war. Als sie aus dem Becken stieg, merkte sie erst, wie untrainiert sie war, wie jeder Muskel und jede Sehne schmerzte, aber es war kein unangenehmer Schmerz, mehr ein Ziehen in den Beinen, den Armen und dem Oberkörper, das ihr signalisierte, in Zukunft doch gefälligst mehr für ihre körperlicheFitness zu tun. Sie zog den Badeanzug aus und legte ihn über einen Plastikstuhl, trocknete sich ab und kleidete sich wieder an. Sie föhnte ihre Haare, bürstete sie und warf einen abschließenden Blick in den Spiegel.
Nadine Hellmer hatte gerade die Vorbereitungen für das Abendessen beendet, als Durant ins Zimmer kam, wo Hellmer und Stephanie bereits am Tisch saßen und herumalberten.
Während des Essens unterhielten sie sich über Belanglosigkeiten, später räumte Hellmer zusammen mit Durant den Tisch ab, Nadine brachte Stephanie zu Bett.
»Wie war dein Nachmittag?«, fragte er, als sie allein waren.
»Lausig. Das einzig Positive ist, dass ich Richter überreden konnte …«
»Du hast mit Richter gesprochen?«
»Ich wollt’s nicht auf die lange Bank schieben. Er will uns helfen. Morgen früh um neun sollen wir bei ihm sein und alles mitbringen wie gehabt.«
»Sauber. Und weiter?«
»Danach befragen wir diese Miriam Tschierke, ich hab vorhin nur ihre Mutter angetroffen. Aber ich glaub nicht, dass wir von ihr mehr erfahren, als wir ohnehin schon wissen. Peter und Doris schick ich nach Weiterstadt. Und dann wäre noch Maite Sörensen. Und den Rest kennst du, Fragen, Fragen, Fragen.«
»Das wird ein hartes Stück Arbeit«, konstatierte Hellmer und verstaute das Geschirr in der Spülmaschine.
»Sicher. Aber wir dürfen keine Zeit verlieren, denn ich habe ein verdammt ungutes Gefühl.«
»Was für ein Gefühl?«, fragte Hellmer und hielt in der Bewegung inne, denn er kannte diesen Ton von Durant zur Genüge.
»Wie soll ich es ausdrücken … Ich glaube, Selina und Mischner bleiben nicht seine einzigen Opfer.«
»Du spinnst. Wie kommst du denn darauf?«
»Die Vorgehensweise. Vor allem bei Selina. Jemand, der einen Menschen auf diese Weise tötet, hat Lust am Töten. Und wenn ererst jetzt angefangen hat, wird er weitermachen. Ich könnte mir vorstellen, dass er sich schon neue Opfer ausgesucht hat, und das meine ich ernst.«
»Ich weiß, dass du es ernst meinst, aber ich halte das für eine reine Hypothese.«
»Hör zu, das Ganze erinnert mich an Fälle aus der Vergangenheit. Überleg doch mal, wir hatten es schon zweimal mit Mördern zu tun, die sich in einen wahren Blutrausch gesteigert haben. Und wenn Selina der Anfang war, wovon ich ganz stark ausgehe, hat er sein nächstes Opfer schon im Visier. Der, mit dem wir’s hier zu tun haben, ist brandgefährlich. Er hat auch nicht im Affekt gehandelt, sondern alles genauestens durchgeplant. Hätte er lediglich einen Hass auf Selina gehabt oder auf Gerber, aus Eifersucht zum Beispiel, dann hätte er sich Selina am Mittwochabend einfach geschnappt, sie vergewaltigt, misshandelt und getötet und irgendwo liegen lassen. Das wäre ein ganz normaler Tathergang gewesen, wie wir ihn schon oft
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