Kaltes Blut
klingeln Sie einfach Sturm. Sie müssen nur ein bisschen Geduld haben, sie wird schon aufmachen.«
»Mal sehen, ob ich das einrichten kann, ansonsten schicke ich einen Kollegen vorbei. Es sind wirklich nur ein paar Fragen. Einen schönen Tag noch.«
»Auf Wiedersehen. Und wie gesagt, morgen Vormittag ist sie garantiert da.«
Julia Durant war froh, wieder im Aufzug zu sein, Klaustrophobie konnte in der Kabine nicht so schlimm sein wie in der Wohnung von Frau Tschierke. Unten zündete sie sich eine Zigarette an und ging zu ihrem Wagen, der im Schatten stand. Ihr Handy piepte, sie nahm es aus der Tasche und meldete sich. Kuhn. Er wollte sich entschuldigen und bat um eine Aussprache. Sie konnte sich in den farbigsten Bildern vorstellen, was passiert war, doch sie hatte das Kapitel endgültig beendet, und wenn er noch so sehr winselte.
»Hör zu, Dominik, es ist aus und vorbei. Und dabei bleibt’s.Nimm deine süße Annette und verbring mit ihr ein paar schöne Tage weit weg von Frankfurt. Und ruf mich bitte nie mehr an.« Sie drückte auf Aus und steckte das Handy zurück in die Tasche. Es war noch nicht einmal sechzehn Uhr. Sie beschloss, nach Hause zu fahren, zu duschen und noch etwas in der Wohnung zu machen, um dann so gegen sechs oder halb sieben bei den Hellmers zu sein.
Zwei Besuche hatte sie in den letzten anderthalb Stunden gemacht, und beide waren auf ihre Art deprimierend gewesen. Nach zwanzig Minuten erreichte sie ihr Zuhause, duschte, zog sich um und räumte das Wohnzimmer auf. Sie trank ein Glas Wasser und aß eine Banane, weil ihr Magen knurrte, griff automatisch nach der Schachtel mit den Zigaretten, betrachtete sie und steckte sie wieder in die Tasche. Nein, sagte sie sich, ich will jetzt nicht. Vielleicht später. Sie sah den Haufen schmutziger Wäsche, überlegte, welche am ehesten fällig war, entschied sich für die weiße und packte sie in die Maschine. Halb sechs. Sie kramte in ihrer Tasche, holte das Notizbuch heraus und suchte unter dem Buchstaben »R«. Sie tippte die Nummer von Prof. Richter ein. Er meldete sich mit einem knappen »Hallo«.
»Hier Durant. Prof. Richter?«
»Frau Durant, schön, mal wieder Ihre Stimme zu hören. Wie geht’s Ihnen?«
»Es geht«, sagte sie und fuhr fort: »Professor, ich rufe dienstlich an. Könnten Herr Hellmer und ich morgen kurz bei Ihnen vorbeischauen? Wir brauchen Ihre Hilfe.«
»Um was geht’s, wenn ich fragen darf?«
»Ein Täterprofil. Wir bringen auch alle bisher verfügbaren Akten mit. Es ist sehr dringend.«
»Wann möchten Sie denn kommen?«
»Wann es Ihnen am besten passt.«
»Neun Uhr? Ich habe um zehn eine Patientin und dann erst wieder am Nachmittag Zeit. Reicht eine Stunde?«
»Natürlich. Wir sind um neun bei Ihnen. Und schon mal vielen Dank für Ihre Hilfe.«
»Gern geschehen. Bis morgen dann.«
Sie legte auf und schaltete den Anrufbeantworter ein. Um Viertel vor sechs fuhr sie zurück nach Okriftel.
Sonntag, 18.30 Uhr
Nadine hatte gerade damit begonnen den Tisch zu decken, als Julia Durant kam. Frank Hellmer war mit seiner Tochter im Untergeschoss, wo sich auch der Swimmingpool befand. Sie hörte nur ihre Stimmen, das Lachen von Stephanie.
»Ich hab schon gedacht, du kommst gar nicht mehr«, sagte Nadine. »Warst du die ganze Zeit dienstlich unterwegs?«
»Ich war auch noch zu Hause, eine Maschine Wäsche waschen, ein bisschen aufräumen und so weiter. Eines der Mädchen habe ich angetroffen, beim andern war nur die Mutter da. Beides war eher deprimierend.«
»So schlimm?«
»Nein, nur die kleinen Dramen und Abgründe, mit denen wir andauernd konfrontiert werden. Kann ich dir was helfen, ich brauch ein bisschen Ablenkung.«
»Wenn du möchtest, dann schneid die Tomaten, Gurken und Zwiebeln. Und, neue Erkenntnisse gewonnen?«
Julia Durant nahm ein Messer und ein Brett und schnitt als Erstes die Tomaten. »Nein. Außer dass es hier einen gibt, der wohl am liebsten eine Bürgerwehr aufstellen würde, um der Polizei die Arbeit abzunehmen. Ich hab selten einen so ›sympathischen‹ Zeitgenossen kennen gelernt.«
»Und wer ist das?«
»Laube …«
»Der von der Spedition?«
»Ja, ja. Wohnt im Erlesring. Der regiert seine Familie mit eiserner Hand … Tomaten, Gurken und Zwiebeln auf separate Teller?«
»Ja, hier«, antwortete Nadine Hellmer und stellte drei Teller hin. »Und wie soll’s jetzt weitergehen?«
»Wie schon gesagt, wir müssen jemanden in den Reitclub einschleusen, die Knastbrüder von Mischner befragen
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