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Kaltes Blut

Kaltes Blut

Titel: Kaltes Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Franz
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das bedeutet, wenn man bedenkt, dass die globale Durchschnittstemperatur zurzeit bei 15,5 Grad liegt und wir seit Ende des 19. Jahrhunderts bereits einen weltweiten Temperaturanstieg um 0,6 Grad zu verzeichnen hatten. Jetzt schon schmelzen die Polkappen am Nord- und Südpol, die Hurrikantätigkeit hat enorm zugenommen, der Schnee auf dem Kilimandscharo wird innerhalb der nächsten zwanzig Jahre aller Voraussicht nach völlig verschwunden sein. Und dann vielleicht werden die Menschen zu der Einsicht kommen, dass sie bisher von den Politikern und der Wirtschaft im wahrsten Sinn des Wortes immerzu nur verarscht worden sind. Tja, das ist das Elend dieser Welt, die Mächtigen machen sich ein schönes Leben und sagen sich, nach uns die Sintflut, undsie bedenken dabei nicht, dass diese Sintflut möglicherweise gar nicht mehr so weit entfernt ist.« Er schüttelte entschuldigend den Kopf und lehnte sich wieder zurück. »Aber gut, ich wollte Ihnen keinen Vortrag halten, Sie sind schließlich aus einem ganz anderen Anlass hier, einem sehr traurigen.«
    »Nein, das war sehr interessant, mal aus dem Mund eines Experten zu hören, was man sonst immer nur in der Zeitung liest, aber gleich wieder vergisst«, sagte Durant.
    »Das ist auch ein Problem. Wir vergessen zu schnell. Noch haben wir vier Jahreszeiten, auch wenn die Übergänge immer mehr verschwimmen. Bald werden es nur noch zwei sein, eine heiße und eine etwas kühlere Jahreszeit. Wir freuen uns über den Sommer, stöhnen aber, wenn das Thermometer wieder über dreißig Grad steigt. Dabei übersehen wir, dass die Häufung der Temperaturen über dreißig Grad in unseren Breiten in den letzten Jahren drastisch zugenommen hat. Wir vergessen unglaublich schnell. Genauso wird es auch mit Selina sein. Wir werden zur Tagesordnung übergehen, unser Leben leben und den lieben Gott einen guten Mann sein lassen. In ein paar Wochen wird kaum noch einer von Selina sprechen. Wir denken nur daran, dass es uns gut geht, alles andere ist uns egal. Oder glauben Sie im Ernst, dass außer den engsten Angehörigen und vielleicht ein paar Freunden auch nur einer wirklich um Selina trauert? Nein, es ist alles nur Schauspielerei. Jeder Mensch ist ein Schauspieler.«
    »Und Sie? Trauern Sie um Selina?«
    Kaufmann schüttelte kaum merklich den Kopf und antwortete: »Ich weiß es nicht, ich weiß es wirklich nicht. Ich habe mich schon gefragt, ob ich so abgestumpft bin, dass ich nicht richtig trauern kann, aber ich kannte Selina mehr vom Sehen, und ich habe ein paarmal mit ihr gesprochen. Zwangsläufig stellt man sich dann auch die Frage, warum man nicht weint, wenn ein so junges Mädchen so scheinbar sinnlos von dieser Welt genommen wird. Ich kann Ihnen nicht sagen, ob ich um sie trauere. Ich fühle Wut und Ohnmacht, ja, aber Trauer?«
    »Herr Kaufmann, lassen Sie uns noch kurz über Herrn Mischner sprechen. Wie ist denn Ihre persönliche Meinung über ihn?«
    Kaufmann zuckte mit den Schultern. »Ich habe und hatte nie eine Meinung über ihn, dazu kannte ich ihn viel zu wenig, und außerdem steht mir so etwas nicht zu. Ich reite selbst nicht, ich bin nur des Öfteren auf dem Hof, um meine Freunde und Bekannten zu treffen, und weil meine Frau einen Großteil ihrer Zeit dort verbringt. Natürlich haben wir Überlegungen angestellt, wer als Selinas Mörder in Frage kommt, und wir alle hatten zuerst ihn in Verdacht, aber wir schlossen das zu dem Zeitpunkt noch aus, da wir alle glaubten, er wäre noch im Gefängnis. Dass er dann aber auch einem Mord zum Opfer fallen würde …«
    »Und Ihnen fällt außer Mischner niemand ein, den Sie verdächtigen würden?«
    »Nein. Und wenn, hätte ich es Ihnen längst gesagt. Wenn ich Ihre Frage richtig interpretiere, dann suchen Sie also tatsächlich jemanden, der sich auf dem Hof auskennt und einer von uns sein könnte. Seltsam, ich hätte nie für möglich gehalten, einmal in solche Abgründe zu blicken.«
    »Von was für Abgründen sprechen Sie?«
    »Ich wohne seit meiner Geburt in Okriftel, ich bin hier aufgewachsen, habe hier meine Frau kennen gelernt, Okriftel ist im wahrsten Sinn des Wortes meine Heimat. Aber ich habe nie ein Verbrechen erlebt. Und dann das. Gleich zwei Morde auf einmal. Ist das kein Abgrund?«, fragte er und sah Durant nachdenklich an. »Finden Sie ihn um Himmels willen, bevor er noch mehr Unheil anrichten kann. Ich bin Ihnen auch gerne bei der Suche behilflich.«
    »Wir werden gegebenenfalls darauf zurückkommen. Haben Sie erst mal

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