Kaltes Blut
Frau Sörensen, Frau Malkow, unsere Voltigiertrainerin.«
»Angenehm.«
»Sie werden sich wohl fühlen«, sagte Helena Malkow nur, drehte sich um und lief mit schnellen Schritten auf sechs Mädchen zu, die alle zwischen acht und neun Jahre alt waren, sprach kurz mit ihnen und ging mit ihnen zu den Pferden.
Emily Gerber führte Maite Sörensen in den modernen Stall mit den großzügigen Boxen. Es war sauber und hell, so wie es ihr beschrieben worden war.
»Und, habe ich zu viel versprochen?«
»Nein, Sie haben sogar ein wenig untertrieben. Chiron wird sich hier wie zu Hause fühlen.«
»Wollen wir noch etwas trinken, bevor Sie gehen? Sie sind natürlich herzlich eingeladen.«
»Gerne, ich hab sowieso noch ein bisschen Zeit.«
Montag, 16.45 Uhr
Emily Gerber war mit Maite Sörensen auf dem Weg ins Restaurant, als Durant und Hellmer auf den Parkplatz fuhren.
»Guten Tag, Frau Gerber«, sagte Durant, nachdem sie ausgestiegen war, ohne einen Blick auf ihre Kollegin zu werfen, »können wir Sie einen Moment sprechen?«
»Eigentlich habe ich keine Zeit, aber … Frau Sörensen, wenn Sie sich vielleicht noch ein wenig umsehen möchten, es dauert auch nicht lange … Gehen wir doch in mein Büro, dort sind wir ungestört.«
Das Büro war klein und schlicht, an den Wänden zahlreiche Bilder mit Pferden, ein großes Poster zeigte den Reiterhof aus der Luft. Ein Schreibtisch, ein PC, eine Sitzecke und eine Vitrine, in der mehrere blank polierte Pokale standen.
»Wollen Sie sich mal umschauen?«, fragte sie und lehnte sich an den Schreibtisch aus dunkler Eiche.
»Nein, vielleicht später. Es geht um Miriam Tschierke. Wir haben versucht, sie heute zu erreichen, sie aber nicht angetroffen. Können Sie uns vielleicht sagen, wo wir sie finden können?«
»Haben Sie ihre Mutter denn nicht gefragt?«
»Die konnte uns auch nichts sagen«, was nicht einmal gelogen war. Hellmer betrachtete die Bilder an der Wand und musste unwillkürlich grinsen, auch wenn es makaber war.
»Miriam ist nicht jeden Tag hier, sie hat gesagt, sie würde erst am Mittwoch wiederkommen, weil sie die letzten Ferientage noch einiges mit Freunden unternehmen will. Und am Donnerstag fährt sie, soweit ich weiß, mit ihrer Mutter nach Bottrop in dieses Warner Brothers Movieworld.«
»Wann hat sie das gesagt?«
»Gestern Nachmittag, kurz bevor sie hier weggefahren ist. Ist auch irgendwie verständlich, sie war mit uns zwar zehn Tage in Frankreich, hat aber sonst nicht viel von den Ferien gehabt, außer regelmäßig hier auf dem Hof zu sein, während ihre Freunde und Freundinnen alle in Urlaub waren. Ich kann Ihnen leider nicht weiterhelfen … Entschuldigen Sie, aber Sie fragen so komisch. Ist wieder irgendwas passiert?«
Durant fuhr sich mit der Zunge über die Unterlippe und warf einen kurzen Blick zu Hellmer. Sie war sich unschlüssig, ob sie erzählen sollte, was mit Marianne Tschierke geschehen war. Schließlich entschloss sie sich, es zu sagen, nicht ohne vorher noch eine Frage zu stellen.
»Frau Gerber, kennen Sie Miriams Mutter?«
Sie lachte auf. »Natürlich kenne ich sie. Sie musste mit Engelszungen überredet werden, damit Miriam mit nach Frankreich durfte. Sie müssen wissen, Frau Tschierke muss jeden Euro zehnmal umdrehen, bevor sie sich etwas leisten kann. Und wenn wir dann kommen und anbieten, die Kosten für eine solche Reise zu übernehmen, dann ist das für sie fast wie ein Affront. Schließlichhat sie aber doch zugestimmt, und Miriam hatte sehr viel Spaß in Frankreich. Es hat ihr gut getan, einmal aus diesem Eintagsallerlei rauszukommen. Weder Frau Tschierke noch Miriam haben es leicht. Die Mutter schuftet sich das Kreuz krumm, seit sie geschieden ist, und Miriam ist wohl so was wie der seelische Mülleimer für ihre Mutter. Sie haben’s beide nicht leicht, aber Miriam ist bei uns gut aufgehoben, und vielleicht können wir ja auch noch Frau Tschierke überreden, öfter als bisher bei uns vorbeizukommen.«
»Sie haben vorhin von Miriams Freunden gesprochen. Wer sind denn ihre Freunde?«
»Seit sie hier ist, Katrin und Nathalie, Katrin Laube und Nathalie Weishaupt. Und natürlich Selina, aber …«
»Also gut.« Durant beugte sich nach vorn, die Hände gefaltet. Sie schien für einen Moment mit den Gedanken woanders zu sein, bis sie aufblickte und Emily Gerber direkt ansah. »Wir waren vorhin im Südring, um mit Miriam zu sprechen. Wir haben Miriam nicht angetroffen, dafür ihre Mutter. Sie ist tot. Und Miriam ist nicht
Weitere Kostenlose Bücher