Kaltes Blut
hat er sich gewunden wie ein Aal und gemeint, Mischner habe ja Sozialhilfe bezogen, blablabla. Aber von Sozialhilfe allein kannst du dir keine Wohnung komplett einrichten. Mischner hat sich zweimal in der Woche bei ihm gemeldet, zumindest hat er das in seinen Akten vermerkt, aber gegen ein bisschen Kohle kannst du alles eintragen.«
»Hältst du ihn für korrupt?«
»Es gibt niemanden, den ich nicht für korrupt halten würde, ein paar wenige ausgenommen«, fügte er noch schnell hinzu und sah dabei seine unmittelbaren Kollegen aus der Abteilung entschuldigend an. »Das wär’s von meiner Seite.«
Für einen Moment herrschte Stille im Raum, bis Durant sagte: »Wir haben bis jetzt mindestens zwei ungeklärte Morde, Selina Kautz und Gerhard Mischner. Ein dritter kommt mit größter Wahrscheinlichkeitdazu, Marianne Tschierke, und wie es aussieht, werden wir irgendwann in den nächsten Stunden, Tagen, Wochen, Monaten eine weitere Leiche finden, nämlich Miriam Tschierke.«
»So lange wird es nicht dauern«, bemerkte Hellmer. »Sollte Miriam in den Händen unseres Mannes sein, so wird der sehr darauf bedacht sein, dass man sie schnell findet. Wenn dem nicht so wäre, hätte er zum Beispiel Selina nicht an einer ziemlich gut einsehbaren Stelle deponiert. Er wusste zumindest, dass im Sommer dort des Öfteren Kinder spielen. Aber du hast was vergessen, nämlich was uns der Pastor gesagt hat.«
»Die Akte hab ich schon in meinem Büro«, wurde er von Berger unterbrochen. »Ich habe sie zwar nur überfliegen können, aber das Mädchen Kerstin Soundso wurde zuletzt am 23. Dezember 96 lebend gesehen. Die Vernehmungen der Eltern, Freunde und Bekannten haben nichts ergeben, was auf ein Verbrechen hindeutet. Sie gilt nach Erkenntnis der damaligen Ermittler als vermisst, die Akte wurde nach einem halben Jahr vorläufig geschlossen, nachdem auch die Psychologen dahin tendierten, dass diese Kerstin abgehauen ist, weil sie es zu Hause nicht mehr ausgehalten hat. Mehr gibt es nicht.«
»Kann ich die Akte mal haben?«
»Liegt auf meinem Schreibtisch. Sie können sie mitnehmen.«
»Richter hat heute Morgen gesagt, er glaube nicht, dass Selina das erste Opfer unseres Mannes ist. Wir hatten doch schon mal einen Fall, wo jemand einen Mord begangen hat und dann mehrere Jahre verstreichen ließ, bevor er zu richtiger Hochform aufgelaufen ist, bis er sich selbst gerichtet hat …«
»Sie sprechen von dem Fall Markowski?«, fragte Berger.
»Genau den meine ich. Und ich könnte mir vorstellen, dass wir es hier mit einem ähnlich gelagerten Fall zu tun haben. Er hat einen Mord begangen, an Kerstin Grumack, auch wenn deren Leiche bis heute nicht aufgetaucht ist, und er fängt jetzt aus uns unerfindlichen Gründen an, sein Werk fortzusetzen. Wie Markowski, dessen Motiv wir nie herausgefunden haben. Ich weiß, dass diePsychologen anderer Meinung sind, was Kerstin angeht, aber ihre Mutter war damals bereits schwer an Krebs erkrankt, und der Zeitpunkt ihres Ablebens war absehbar. Verlässt ein junges Mädchen die Mutter einen Tag vor Heiligabend, wo sie doch damit rechnen muss, dass es das letzte Weihnachten ist, das sie mit ihr verbringen wird? Das kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen, auch wenn die Psychologen der Ansicht sind, sie habe den Stress, die Mutter leiden zu sehen, nicht ertragen können. Nach dem, was wir bisher erlebt haben, glaube ich viel eher, dass sie einem Verbrechen zum Opfer gefallen ist. Was noch dafür spricht, ist ihr Alter. Sie war fünfzehn, genau wie Selina Kautz. Nur war der Täter damals noch unorganisiert, wenn ich das so sagen darf. Er hatte noch keinen richtigen Plan wie bei Selina. 96 hat er sein Werk noch im Geheimen verrichtet, jetzt geht er damit ungeniert an die Öffentlichkeit, getreu dem Motto, schaut, was ich alles kann. Ich führe euch an der Nase rum, und ihr merkt nicht mal, wie nahe ich euch bin. Herr Hellmer und ich werden morgen versuchen, mit dem Vater zu sprechen, und uns noch einmal seine Version der Geschichte anhören. Und vielleicht haben wir sogar Glück und sie war Mitglied in dem Reitclub, was den Kreis der potenziellen Täter doch erheblich eingrenzen würde.«
»Wie Sie vorgehen, überlasse ich Ihnen. Was haben denn Ihre Befragungen in Okriftel ergeben?«, wollte Berger wissen.
»Unwesentliches. Die Gerber und die Malkow haben von Mischner nicht sonderlich viel gehalten, vor allem die Malkow. Ihr Mann ist ein Trottel, der ihr nur nach dem Mund redet. Bei den Kaufmanns
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