Kaltes Blut
Dank für die Einladung. Wir sehen uns morgen, wenn ich Chiron herbringe.«
»Ich muss auch bald gehen. Ich zeige Ihnen morgen die Gegend. Und sollte ich noch nicht da sein, wenn Sie kommen, unser Stallbursche weiß Bescheid. Einen schönen Abend noch.«
»Ihnen auch. Tschüs.«
Emily Gerber verließ mit ihr zusammen das Restaurant und ging zurück auf den Hof, wo Helena Malkow und Sonja Kaufmann heftig diskutierten. Sie hielten sofort inne, als Emily Gerber auf sie zukam.
»Gibt’s Streit?«, fragte sie.
»Nein«, antwortete Sonja Kaufmann kurz angebunden. »Es geht um Selinas Pferd. Ich werde mal reingehen und es mir anschauen.«
Helena Malkow sah Emily Gerber mit süffisantem Lächeln an. »So, wir haben also ein neues Mitglied. Wie ist sie denn?«
»Sehr sympathisch, warum?«
»Kommt dir das nicht spanisch vor, dass wir mit einem Mal eine Neue haben, wo wir doch in den letzten Monaten kaum noch Neuzugänge hatten?« Sie lächelte spöttisch und fuhr sich mit einer Hand über die schweißnasse Stirn.
»Wieso sollte mir das spanisch vorkommen?«
»Mein Gott, bist du so blöd oder tust du nur so?! Bei uns habensich seit Monaten keine neuen Mitglieder eingetragen, außer ein paar Kinder und Jugendliche, und jetzt auf einmal, wo diese Morde passieren, kommt eine junge Frau daher und schreibt sich ein. Denk mal drüber nach.«
»Es gibt nichts darüber nachzudenken. Du bist auf dem Holzweg, wenn du glaubst, sie wäre …«
»Sie ist von den Bullen, darauf geb ich dir Brief und Siegel! Sie soll uns ausspionieren, und du merkst das nicht mal oder willst es nicht merken. Aber komm nicht eines Tages und sag, ich hätte dich nicht gewarnt. Ich werde jedenfalls ein Auge auf die Kleine haben, darauf kannst du dich verlassen, mein Herzchen!«
»Helena, nicht in dem Ton! Frau Sörensen wohnt seit kurzem in Hofheim und kommt aus Schleswig-Holstein. Sie wird morgen ihr Pferd herbringen, Chiron, damit du dich schon mal mit dem Namen vertraut machen kannst. Und sie hat die teuerste Box genommen.«
»Du bist naiver, als ich gedacht hätte! Glaubst du im Ernst, die Bullen schicken uns jemanden, der sich als Bulle ausgibt?! Was für einen Beruf hat sie denn angeblich?«
»Sie ist freischaffende Künstlerin, Malerin, wenn du’s genau wissen willst, und sie erstellt unter anderem Expertisen. Sie wird übrigens auch unseren Constable mal unter die Lupe nehmen. Und sie kommt aus einem sehr reichen Haus. Vergiss das mit den Bullen. Oder hast du etwa Angst?«
»Wovor sollte ich Angst haben? Du solltest aufpassen, meine Liebe, es ist schließlich dein Hof.«
»Willst du mir etwa drohen? Helena, tu mir einen Gefallen und geh mir heute einfach aus dem Weg.«
»Warum gleich so gereizt? Bekommst du etwa kalte Füße?«
»Ich sag’s nur noch einmal, geh mir aus dem Weg.«
»Nicht so schnell, Emily. Denk dran, wir sitzen alle im selben Boot.«
»Nein«, erwiderte sie scharf, »wir haben im selben Boot gesessen, und ich bereue zutiefst, mich jemals auf diesen ganzen Misteingelassen zu haben, denn ich habe meine Ehe damit aufs Spiel gesetzt«, zischte Emily Gerber und hätte Helena am liebsten ins Gesicht geschlagen.
»Deine Ehe geht mich nichts an, das ist allein dein Problem. Meine Ehe funktioniert, man muss nur flexibel sein.«
»Das ist mir scheißegal. Ich bin jedenfalls raus, und ich rate dir noch einmal, hör du auch auf damit. Wenn du’s schon brauchst, dann such dir dein Vergnügen woanders, aber nicht mehr hier.«
»Emily, du kannst mir überhaupt nichts verbieten! Wie heißt es doch so schön, mitgefangen, mitgehangen! Außerdem, wie willst du den andern klarmachen, dass Schluss ist? Es sind zu viele.«
Emily Gerber sah Helena Malkow mitleidig an und sagte mit ruhiger Stimme, obgleich in ihr ein Vulkan brodelte, der kurz vor dem Ausbruch stand: »Weißt du, mir war eigentlich immer schon klar, dass du eine falsche Schlange bist, aber ich wollte es nicht wahrhaben oder hab’s verdrängt. Aber jetzt, wo’s darauf ankommt, zeigst du endlich dein wahres Gesicht, und das ist einfach nur hässlich. Du tust mir so unendlich Leid, weißt du das?! Warum hab ich mich bloß jemals darauf eingelassen? Ich versteh’s bis heute nicht. Und noch was – wenn die Polizei Informationen haben will, kommen sie direkt zu mir oder auch zu dir, sie haben es nicht nötig, jemanden einzuschleusen. Herr Hellmer und Frau Durant waren vorhin bei mir im Büro. Oder hast du das etwa nicht mitgekriegt? Du siehst und hörst doch sonst
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