Kaltes Blut
lebend zu finden. Ach ja, bevor ich’s vergesse, Gerber hat mich gestern angerufen, als ich schon gepennt habe. Er sagt, die Morde müssen seiner Meinung nach irgendwas mit der Frankreichfahrt zu tun haben. Selina und auch Miriam waren mit dem Reitclub in Frankreich.Er hat mir auch gleich die Namen und Adressen der andern vier Mädchen durchgegeben. Er fürchtet wohl, der Killer könnte es auch auf sie abgesehen haben.«
»Und, teilst du seine Meinung?«
»Keine Ahnung. Mischner und die Mutter von Miriam passen irgendwie nicht ins Bild. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es was mit Frankreich zu tun hat. Das ist eher zufällig. Wieso hat er Miriams Mutter umgebracht, wenn er Miriam wollte? Trotzdem sollten wir mit den Mädchen sprechen und sie warnen. Was hat eigentlich dein Treffen gestern ergeben?«
Durant sah ihn an und meinte genervt: »Sag mal, hast du heute Sabbelwasser getrunken? Warte bis nachher, ich muss mich jetzt erst mal ein bisschen umschauen. Am liebsten wäre mir, wenn Richter herkommen könnte. Er sollte sich den Fundort mal angucken.«
»Richter? Ich glaub, der wäre alles andere als erfreut, so früh am Morgen …«
Sie ließ Hellmer nicht ausreden, sondern tippte einfach Richters Nummer ein. Er meldete sich sofort. Durant fragte ihn, ob er bereit sei, sich den Fundort eines weiteren Opfers anzusehen, bevor die Spurensicherung ihre Arbeit aufnahm. Er würde auch von einem Streifenwagen abgeholt und später wieder nach Hause gebracht werden. Er erklärte sich sofort einverstanden, schien sogar erfreut, einen Tatort als einer der Ersten begutachten zu können.
Durant sah Hellmer ohne eine Miene zu verziehen an. »Richter kommt. Ruf mal in der Einsatzzentrale an, die sollen einen Wagen vom Sachsenhäuser Revier zu Richter schicken und ihn so schnell wie möglich herbringen, am besten mit Blaulicht und Sirene. Solange er nicht hier ist, wird nichts angerührt. Ist eigentlich schon irgendwas angefasst oder verändert worden?«
»Nein, die Frau sagt, der Hund hat zwar an den Sachen geschnuppert, aber sie hat nichts angefasst, und auch die Beamten, die kurz nach ihrem Anruf hier waren, haben alles so gelassen, wie sie es vorfanden.«
»Trotzdem sind mit Sicherheit schon Spuren verwischt worden. Wenn der Hund dort am Gebüsch war …«
»Julia, er hat uns bestimmt nicht seine Visitenkarte hinterlassen.«
»Doch, hat er«, entgegnete sie trocken. »Seine Visitenkarte liegt dort hinten.«
Sie hatte kaum zu Ende gesprochen, als die Wagen der Spurensicherung zusammen mit dem Fotografen und kurz darauf auch Prof. Bock eintrafen. Hellmer erklärte ihnen die Sachlage, einzig dem Fotografen gestattete er, ein paar erste Bilder aus angemessener Entfernung zu schießen. Durant zündete sich derweil eine Zigarette an und setzte sich auf eine Bank etwa vierzig Meter vom Fundort entfernt. Sie stellte sich vor, wie nachts bei völliger Dunkelheit ein Mann hier eine Leiche deponierte und vermutlich eine Nacht später, damit das Opfer auch gefunden wurde, noch einmal herkam, um die Stelle zu markieren.
Wo bist du hergekommen? Und wann? Oben vom Wald, oder hast du die Chuzpe besessen, mit deinem Auto bis hierher zu fahren und sie in aller Ruhe auszuladen? Zutrauen würde ich es dir. Hast du eigentlich gar keine Angst, gesehen zu werden? Oder bist du einer von denen, denen man keinen Mord zutraut, einer, von dem man sagt, er würde keiner Fliege was zuleide tun? Stehst du jetzt vielleicht hier unter den Gaffern und schaust uns zu und grinst dabei hämisch? Und warum willst du unbedingt, dass die Leiche so schnell gefunden wird? Und woher rührt dein Hass? Okay, spielen wir. Die ersten Runden gehen an dich. Aber jetzt sind wir dran. Es gibt eine Revanche und diesmal verlierst du, verlass dich drauf.
Sie saß zwanzig Minuten und zwei Zigaretten auf der Bank, als sie von der Seite angetippt wurde. Gerber. Er trug eine Jogginghose, ein blaues Shirt und recht auffällige, bunte Nike-Laufschuhe.
»Hallo«, sagte er mit ernster Miene. »Herr Hellmer hat mich durchgelassen. Ich brauch wohl nicht zu raten, was hier los ist, oder?«
»Nein. Wie ich gehört habe, haben Sie sich auch schon Gedanken über den Mörder gemacht. Sie vermuten also, es könnte mit der Frankreichfahrt zusammenhängen. Wie kommen Sie ausgerechnet darauf?«
»Es ist wie gesagt einfach nur eine Vermutung. Die Mädchen kommen aus Frankreich zurück, und dann fängt auf einmal das Morden an …«
»Dr. Gerber, ich bin lange genug Polizistin, um
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