Kaltes Blut
zu wissen, wann mir jemand etwas vorflunkert. Wie kommen Sie also ausgerechnet auf Frankreich?«
»Es ist wirklich nur eine Vermutung. Aber ich habe es mir heute Nacht noch einmal durch den Kopf gehen lassen und bin inzwischen schon wieder davon abgekommen. Es wäre einfach zu absurd. Frau Tschierke hatte mit dem Reitclub nichts zu tun, sie war glaub ich nur ein- oder zweimal dort. Nein, vergessen Sie einfach, was ich gesagt habe, ich entschuldige mich dafür.«
Durant sah ihn zweifelnd an, sie glaubte ihm kein Wort, weil sich vor allem seine letzten Worte fast so anhörten wie die von Frau Malkow am Abend zuvor. Vergessen Sie einfach, was ich gesagt habe, ich entschuldige mich dafür! Idiot!
»Sie brauchen sich nicht zu entschuldigen, wir sind für jeden Hinweis dankbar und werden dem auch nachgehen.«
»Das ist wirklich nicht nötig.«
»Sie sind doch ein so intuitiver Mann. Sie haben letzte Nacht aus dem Bauch heraus Herrn Hellmer angerufen, und Sie und ich wissen, dass man immer auf seinen Bauch hören sollte«, sagte sie spöttisch. »Aber ich habe eine Frage zu Frau Tschierke. Wissen Sie, wo sie gearbeitet hat? Ihre Frau sagt, bei einem Arzt in Sindlingen.«
»Das ist damals nichts geworden. Ich hab sie aber bei Dr. Fischer-Klein untergebracht, wo sie vormittags gearbeitet hat. Seine Nummer steht im Telefonbuch. Ich geh dann mal wieder, ich muss in einer halben Stunde die Praxis aufmachen.«
Gerber entfernte sich. Durant hörte den Streifenwagen, der mitBlaulicht und Sirene die Straße hochraste. Sie erhob sich von ihrem Platz und ging auf Richter zu.
»Guten Morgen, Professor. Es wurde bislang nichts verändert. Hoffe ich zumindest.«
»Ich wünsche auch Ihnen einen guten Morgen.«
»Kommen wir gleich zur Sache. Hier wurde eine Spur gelegt, das Paket liegt in dem Gebüsch da vorne.«
Richter nahm die ersten Eindrücke in sich auf, holte einen Notizblock und einen Stift aus seiner Hemdtasche und schrieb Details auf. Dann ging er ein Stück weiter, betrachtete die Stelle aus einer anderen Perspektive und machte noch mehr Notizen. Er hockte sich nieder, wobei er aufmerksam und lange die Lage der Gegenstände betrachtete.
»Er hat eine Spur gelegt«, wiederholte er Durants Worte und fuhr sich dabei übers Kinn. »Er will Aufmerksamkeit. Vermutlich möchte er nicht, dass die Leiche zu stark verwest, was bei der Hitze recht schnell geht. Er will, dass die Leiche in einem noch relativ unversehrten Zustand gefunden wird.« Richter machte eine Pause, während der er offensichtlich versuchte, sich in die Psyche des Täters hineinzuversetzen, seine Beweggründe nachzuvollziehen, um so noch näher an ihn heranzukommen. Nach einer Weile fuhr er fort: »Lassen Sie die Sachen genauestens untersuchen, ich möchte wetten, Ihre Spezialisten finden irgendwas daran, wahrscheinlich an der Unterwäsche.«
»Was sollen Sie finden?«
»Ich weiß es nicht, ist nur so ein Gefühl. Etwas, das nicht vom Opfer stammt. Er hätte ja auch etwas anderes nehmen können, um den Weg zu markieren, aber er hat die Kleidung des Mädchens benutzt. Er ist ein Spieler. Sie müssen sich das wie ein Schachspiel vorstellen, und er ist Ihnen bis jetzt immer einen Zug voraus, er kann aber zehn Züge im Voraus denken. Und wenn Sie nicht aufpassen, hört er auf zu spielen und setzt die Partie fort, wenn Sie gar nicht mehr damit rechnen. Es ist eine Art Fernduell, bei dem er zwar Sie kennt, aber genau weiß, dass er für Sie nur ein Phantom ist.«
»Meinen Sie denn, wir finden eine Spur, die zu ihm führt?«, wollte Hellmer wissen.
»Dazu ist er zu gerissen. Aber Sie werden etwas finden, wodurch er die Polizei und die Ermittlungsmethoden lächerlich machen will. Wie gesagt, er ist ein mit allen Wassern gewaschener Spieler. Seine Intelligenz ist exorbitant.«
»Was verstehen Sie unter exorbitant?«
»Sehr hoher Bildungsgrad, sehr analytischer Verstand und gleichzeitig auch ein Bauchmensch. Und er muss extrem gute Ortskenntnisse haben, ich nehme an, er wohnt schon seit langem hier, vielleicht sogar schon seit seiner Geburt, denn er weiß, wo er wann ungestört ist. Es könnte aber auch sein, dass er einmal hier gewohnt hat und noch sehr gute Kontakte zu bestimmten Personen hier pflegt, wie zum Beispiel Eltern oder anderen Verwandten oder Bekannten. Er hat die Sachen vergangene Nacht hier ausgelegt. Moment, werfen Sie doch mal einen Blick auf die Sachen. Fällt Ihnen was auf?«
Durant und Hellmer schüttelten den Kopf.
»Die Reihenfolge. Ein
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