Kaltes Blut
am Werk! Ich glaube, dass Miriam sein nächstes Opfer ist. Und Miriam war auch mit in Frankreich. Welche Mädchen waren noch dabei? Nathalie, Katrin und wer noch?«
»Anja und Carmen.«
»Wir müssen das der Polizei melden, und zwar sofort. Ich ruf Herrn Hellmer an, die Mädchen müssen beschützt werden.«
»Ich glaube nicht, dass er es nur auf die Mädchen abgesehen hat. Schau doch mal, er hat Mischner und auch Frau Tschierke umgebracht. Mischner hatte schon seit Jahren nichts mehr mit uns zu tun, und Frau Tschierke hatte fast überhaupt keinen Kontakt zu uns. Und Miriam ist erst seit ein paar Wochen Mitglied bei uns. Wenn er es nur auf die Mädchen abgesehen hat, warum bringt er dann auch Erwachsene um?«
»Keine Ahnung, das soll die Polizei herausfinden. Herr Hellmer muss aber zumindest von unserer Vermutung wissen, sonst habe ich keine ruhige Minute mehr.«
»Tu, was du nicht lassen kannst. Aber schau mal auf die Uhr.«
»Das ist mir egal.« Er hob den Hörer ab und tippte die Nummer ein. Er ließ es lange klingeln und wollte schon auflegen, als sich Hellmer mit verschlafener Stimme meldete.
»Ja?«
»Herr Hellmer, hier ist Gerber. Entschuldigen Sie die späte Störung, aber ich habe eben von meiner Frau erfahren, dass Frau Tschierke tot ist. Haben Sie Miriam schon gefunden?«
»Nein, bis jetzt nicht.«
»Es ist möglich, dass ich falsch liege, aber ich glaube nicht, dass Sie Miriam noch lebend finden. Selina Kautz und Miriam Tschierke waren beide mit in Frankreich …«
»Augenblick, langsam. Was wollen Sie damit sagen?«
»Ich denke einfach nur, dass es vielleicht mit der Fahrt nach Frankreich zusammenhängt.«
»Und warum denken Sie das? Es muss doch einen Grund für diese Vermutung geben.«
»Selina wurde doch, nur wenige Tage nachdem die Gruppe zurückgekehrt ist, ermordet. Und jetzt ist auch noch Miriam verschwunden. Es ist, wie gesagt, nur eine Vermutung.«
»Ich werde das morgen mit meinen Kollegen besprechen. Gute Nacht.«
»Warten Sie, ich denke, Sie sollten wenigstens wissen, wer noch mit dabei war.«
»Also gut, geben Sie mir die Namen durch, ich werde der Sache nachgehen.« Und nachdem er mitgeschrieben hatte: »Ich werde mich drum kümmern.«
Gerber legte auf und ging zu seiner Frau, die am Fenster stand und in den dunklen Garten schaute. Er legte einen Arm um sie, in seinem Kopf ein großes Wirrwarr. Er war ausgebrannt, der Abend hatte ihn eine beinahe unmenschliche Anstrengung gekostet, auch wenn er sich das nicht anmerken ließ. Zu hören, dass seine Frau ein Jahr lang ihre Sexualität mit Frauen und Mädchen ausgelebt hatte, während er sich immer wieder die Frage stellte, warum sie nichts mehr von ihm wissen wollte. Jetzt endlich hatte er eine Antwort erhalten. Er hatte mit allem gerechnet, nur nicht mit einer solchen Enthüllung. Aber was Emily geschildert hatte, überstieg selbst seine schlimmsten Vermutungen. Zum Glück hatte sie über keine Details dieser Liebesspiele gesprochen, er wollte gar nicht wissen, was sie alles gemacht hatten, seine Vorstellungskraft allein reichte ihm schon. Und er begriff jetzt auch, weshalb sie häufig so gereizt und zynisch gewesen war, weshalb sie keine Berührungen von seiner Seite aus mehr duldete, sich immer mehr abschottete. Es war nicht gegen ihn gerichtet, es war die Schuld, die wie ein Felsbrocken auf ihren Schultern lastete und mit der sie nicht fertig wurde.
Aber er liebte sie wie keine andere Frau, und er würde ihr verzeihen und auch helfen, denn sie war verzweifelt. Sie hatte Angst vor Helena Malkow, eine berechtigte Angst. Sie hatte nichts zu verlieren, ein Wort von ihr genügte, und sie konnte Emily wie eine Kakerlake zertreten. Die Zeitungen würden über den Hof berichten, über sexuellen Missbrauch, auch wenn es keiner im eigentlichen Sinn war, die Eltern würden ihre Kinder abmelden und auch all jene ihre Mitgliedschaft kündigen, die nichts wollten, als nurihren Pferden eine gute Unterkunft zu bieten und mit ihnen regelmäßig auszureiten. Aus diesem Grund musste er sich etwas einfallen lassen. Aber nicht mehr heute.
Er nahm seine Frau bei der Hand, um mit ihr ins Schlafzimmer zu gehen. Und obwohl sie beide müde und erschöpft waren, konnten sie nicht schlafen. Erst gegen Morgen, mit Einbruch der Dämmerung, fielen Gerber die Augen zu.
Dienstag, 5.07 Uhr
Das Telefon klingelte und klingelte. Durant drehte sich auf die Seite, murmelte ein paar unverständliche Worte, bis sie endlich begriff, dass sie sich nicht in
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