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Kaltes Blut

Kaltes Blut

Titel: Kaltes Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Franz
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und zum Teil gedrechselte Möbelstücke, Stühle, Tische und mehr, der angenehme Geruch von Holz lag in der Luft. Ein kleines Radio spielte, die Lautstärke war ziemlich hoch eingestellt, Grumack stand mit dem Rücken zu ihnen und bearbeitete gerade ein Stück Holz, das vielleicht einmal ein Stuhlbein werden sollte. Durant tippte ihm von hinten auf die Schulter, woraufhin ererschrocken zusammenzuckte und die Kommissare mit großen Augen anblickte.
    »Wir haben geklopft«, entschuldigte sich Durant. »Herr Grumack?«
    »Ja.«
    Durant hielt ihm ihren Ausweis hin und sagte: »Kripo Frankfurt. Meine Name ist Durant, und das ist mein Kollege Herr Hellmer. Können wir uns einen Moment in Ruhe unterhalten?«
    »Um was geht’s denn?«, fragte er nicht unfreundlich, ein kleiner Mann von höchstens einsfünfundsechzig, untersetzt. Er sah die Kommissare prüfend an.
    »Es geht um Ihre Tochter Kerstin.«
    Grumacks Blick verfinsterte sich von einer Sekunde zur andern, sein Ton wurde unpersönlich. »Das ist jetzt über fünf Jahre her. Was wollen Sie nach so langer Zeit noch von mir? Warum wollen Sie alte Wunden wieder aufbrechen?«
    »Ich habe die Akte gelesen und hätte einfach noch ein paar Fragen. Haben Sie ein Büro, wo wir uns hinsetzen können?«
    »Ja, da vorne. Kommen Sie, aber ich sage Ihnen gleich, ich habe nicht viel Zeit.« Er schaltete das Radio aus, und die Kommissare folgten ihm in ein kleines, aufgeräumtes Büro, in dem ein Schreibtisch, zwei Stühle und ein Schrank standen, an der Wand hingen Bilder von einer Frau und einem höchstens drei Jahre alten Jungen. Grumack blieb an seinen Schreibtisch gelehnt stehen und musterte die Kommissare immer noch mit dem gleichen prüfenden Blick.
    »Können wir uns setzen?«, wiederholte Durant ihre Frage.
    »Moment, ich hole noch einen Stuhl von draußen.«
    Als er zurückkam, nahm er hinter seinem hellen Schreibtisch aus Kiefernholz Platz und wartete, bis auch die Beamten sich gesetzt hatten.
    »Herr Grumack, ich möchte mich dafür entschuldigen, dass wir so bei Ihnen reinplatzen, aber Sie haben sicherlich mitbekommen, was in den letzten Tagen hier vorgefallen ist. Im Zuge unserer Ermittlungenhaben wir erfahren, dass Ihre Tochter Ende 96 verschwunden ist …«
    »Frau …«
    »Durant.«
    »Frau Durant, es ist lange her, und ich habe damals der Polizei wirklich alles gesagt, was ich weiß.«
    »Ich werde mich auch kurz fassen. Kerstin wurde zuletzt am späten Nachmittag des 23. Dezember 1996 gesehen. Gab es zu dem Zeitpunkt irgendwelche Anzeichen, dass sie überfordert war und abhauen könnte?«
    Er schüttelte den Kopf. »Mein Gott, wie oft bin ich das schon gefragt worden! Nein, Kerstin hat sich benommen wie immer. Sie war am Nachmittag noch in der Stadt, um ein paar Geschenke einzukaufen, ist irgendwann um fünf oder halb sechs nach Hause gekommen und wollte noch einmal zu einer Freundin gehen, doch dort ist sie nie angekommen. Das steht doch aber alles in den Akten.«
    »Es tut mir Leid, aber ich glaube, es steht längst nicht alles in den Akten.«
    »Da mögen Sie Recht haben«, stieß er bitter hervor. »Man hat sich ja auch nicht gerade viel Mühe gemacht, um Kerstin zu finden. Wissen Sie, wie oft Ihre Kollegen bei uns waren? Drei Mal, ganze drei Mal! Dann haben sie noch ein paar andere Leute befragt, und damit war für sie der Fall abgeschlossen. Klar, war ja auch Weihnachten, da will man sich nicht mit so was belasten. Und dann war ja auch noch diese Verrückte, die sich in der Kirche in die Luft gesprengt hat, und die war natürlich wichtiger als Kerstin! Aber es ist vorbei, Kerstin ist weg und …« Er wandte den Kopf zur Seite. Durant spürte, dass es für ihn noch lange nicht vorbei war, dass die Erinnerung mit Gewalt wieder an die Oberfläche drängte.
    »Erzählen Sie mir doch bitte etwas über Kerstin. Was war sie für ein Mädchen?«
    »Kerstin«, sagte er mit einem Mal wie aus weiter Ferne und stockend, indem er immer wieder kleine Pausen zwischen den Sätzenmachte, »sie war meine Tochter … Sie war neben meiner Frau die Einzige, die mir etwas bedeutet hat … Klar, sie hatte auch ihre Ecken und Kanten, aber sie war eine Liebe … Mein kleiner Engel hab ich sie immer genannt … Sie war auch mein Engel … Deshalb war es für mich und meine Frau ein solcher Schock, als wir erfahren haben, dass sie weg ist … Sie können sich das nicht vorstellen … Einen Tag vor Weihnachten, das letzte Weihnachten mit ihrer Mutter. Kerstin hat genau gewusst, dass es

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