Kaltes Blut
Gesicht hervor, »das ist nicht möglich. Sie müssen sich irren. Der wäre nie zu so etwas fähig.«
»Er hat bereits gestanden. Was mich interessieren würde, ist, wie Ihr Verhältnis untereinander war.«
Emily Gerber war unfähig, die Frage zu beantworten. Die Tränen schossen aus ihren Augen, sie vergrub den Kopf in den Händen. Die Kommissarin hatte das erst vorhin gesehen, bei SonjaKaufmann. Durant ließ ihr Zeit, sich zu beruhigen, setzte sich zu ihr auf die Couch und nahm sie in den Arm.
»Er ist mein Bruder. Warum hat er das gemacht? Hat er es Ihnen gesagt?«
»Er wollte wohl sich und der Welt beweisen, dass er kein Versager ist. Warum hat er immer geglaubt, einer zu sein?«
»Unser Vater. Ich war für ihn das Nesthäkchen, die kleine Süße. Achim wurde von ihm nie wirklich beachtet. Er konnte anstellen, was er wollte, unser Vater hatte immer etwas an ihm auszusetzen. Als ich ihn einmal darauf angesprochen habe, hat er nur gemeint, Achim bräuchte eine harte Hand, sonst würde er nie seinen Weg finden. Er hat Achim vor ein paar Jahren sogar sein angebliches Pflichtteil ausbezahlt und sich das notariell beglaubigen lassen, damit mein Bruder auf sein weiteres Erbe verzichtet. Dabei ist Achim ihn nie um Geld angegangen. Er wollte ihn nur los sein. Also hat er ihm fünfhunderttausend Mark gegeben und sich damit von meinem Bruder freigekauft, ein anderer Ausdruck fällt mir nicht ein. Mir hat er andauernd Geschenke gemacht, zuletzt sogar den Reiterhof. Und die fünfhunderttausend sind längst nicht das Pflichtteil.«
»Ich denke, es wird Zeit, dass Sie mit Ihrer Schwägerin über all dies sprechen. Ich glaube, sie hat Ihnen einiges zu sagen.«
»Wo ist er jetzt?«
»Auf dem Präsidium, er wird verhört. Es gibt noch viele Dinge, die geklärt werden müssen.«
»Warum hat er das nur getan? Warum hat er nie mit mir über seine Gefühle und seine Sorgen gesprochen? Er hat immer den Starken markiert.«
»Wussten Sie, dass er und seine Frau schon seit sechs Jahren in getrennten Zimmern schliefen?«
»Nein«, sagte sie überrascht. »Ich habe immer gedacht, Sonja und Achim … Mein Gott, was ist da bloß passiert?!«
»Fragen Sie Frau Kaufmann.«
»Ich muss meinen Mann anrufen.«
»Er ist gerade bei ihr.«
Auf der Fahrt ins Präsidium dachte Durant an Hellmer und sein hervorragend geführtes Verhör. Sie würde es ihm sagen, sobald sie ihn sah. Sie hatte einmal mehr einen Sumpf trockengelegt, und doch fühlte sie sich erbärmlich, denn die Hintergründe, von denen sie bisher nur einen kleinen Teil kannte, ließen in ihr einfach nur Wut hochkommen. Und sie hatte einen verdammt schalen Geschmack im Mund.
Mittwoch, 12.35 Uhr
Achim Kaufmann saß im Verhörzimmer, Hellmer und Kullmer waren bei ihm, doch er schwieg beharrlich. Nach einer Weile ging Hellmer völlig entnervt in das Nebenzimmer zu Berger, der alles mitverfolgte, um mit ihm zu reden, als Julia Durant hereinkam.
»Gut, dass du da bist«, sagte er erleichtert. »Der Kerl macht sein Maul ums Verrecken nicht auf. Er will mit dir allein sprechen. Der hat wohl einen Narren an dir gefressen.«
»Kein Wunder, so wie du mit ihm vorhin umgesprungen bist«, erwiderte sie grinsend. »Zugegeben, es war eine erstklassige Vorstellung, die du abgeliefert hast, aber ich an seiner Stelle würde dir gegenüber auch nichts mehr sagen. Ich brauch aber erst noch einen Kaffee und will eine rauchen.«
»Den Kaffee hol ich dir«, sagte Hellmer, während Durant sich zu Berger setzte.
»Wie werden Sie vorgehen?«, fragte Berger.
»Ich weiß noch nicht. Vielleicht redet er ja von ganz allein. Lassen wir uns einfach überraschen.« Sie steckte sich eine Zigarette an, Hellmer kam mit dem Kaffee.
»Morbs hat den Autopsiebericht von der Malkow durchgeschickt. Hier.« Berger reichte ihr zwei Blätter. Sie warf einen Blick darauf, stand auf und begab sich ins Nebenzimmer, wo Kullmersich weiterhin vergeblich bemühte, etwas aus Kaufmann herauszukriegen. Sie gab Kullmer ein Zeichen, woraufhin er das Zimmer verließ.
Durant setzte sich Kaufmann gegenüber, das Bandgerät und die Kamera liefen mit.
»Sie wollten mit mir allein sprechen?«, fragte sie und legte den Bericht mit der Schrift nach unten auf den Tisch.
»Ja.«
»Und warum?«
»Weil Sie eine Frau sind«, sagte Kaufmann nur, dessen Hände immer noch mit Handschellen gefesselt waren. Er streckte sie ihr entgegen. »Können Sie mir die nicht abnehmen? Oder haben Sie Angst, ich könnte Ihnen etwas tun?«
Sie zog
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