Kaltes Blut
Augen unterhalten«, sagte Durant. »Wo können wir das am besten tun? Ich werde es auch so kurz wie möglich machen.«
»Mit mir unter vier Augen? Scheint ja sehr geheimnisvoll zu sein, aber bitte, gehen wir nach nebenan, in mein kleines Reich.«
Es war ein mittelgroßes, geschmackvoll eingerichtetes Zimmer mit einer gemütlichen, in pastellfarbenem Rosé gehaltenen Couch, einem dazugehörigen Sessel, einem kleinen Glastisch und einer Bücherwand. Auf der Fensterbank Grünpflanzen, eine antike Stehlampe zwischen Couch und Sessel. Emily Gerber stellte sich ans Fenster, die Arme vor der Brust verschränkt, die dunklen Augen glühende Kohlen.
»Also, ich warte«, sagte sie kühl.
»Gut, ich will auch gleich auf den Punkt kommen. Ihr Mann hat uns erzählt, zwischen Ihnen beiden hätte es in den letzten Monaten gekriselt. Stimmt das?«
»Wenn er es sagt, wird es wohl stimmen. Doch wie Sie sicherlich wissen, kommt so was bekanntlich selbst in der besten Ehe einmal vor. Wir sind aber dabei, die Krise zu beenden. Zufrieden? Außerdem, was geht Sie das an?«
»Eine ganze Menge. Was haben Sie in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag gemacht?«
Emily Gerber lachte spöttisch auf und neigte den Kopf ein Stück zur Seite. »Augenblick, bin ich hier im falschen Film? Verdächtigen Sie mich etwa …«
»Beantworten Sie bitte nur meine Frage.«
»Mein Gott, das ist ja ungeheuerlich! Aber gut, soll ich es Ihnen detailliert beschreiben? Ich war am Mittwoch bis dreiundzwanzig Uhr im Club, besser gesagt im Restaurant. Anschließend bin ich nach Hause gefahren, habe meine Mutter abgelöst, die nur ein paar Straßen weiter wohnt und dreimal in der Woche die Kinder betreut, habe ein Bad genommen und bin ins Bett gegangen. Ich habe noch eine halbe Stunde gelesen und um etwa Viertel vor eins dasLicht gelöscht. Ich bin wie immer morgens um halb acht aufgestanden, habe mich fertig gemacht und mich um die Kinder gekümmert. Reicht Ihnen diese Information oder soll ich es Ihnen auch noch aufschreiben?«, fragte sie mit abfällig hinuntergezogenen Mundwinkeln.
»Sie haben das Haus also nicht verlassen?«
»Nein, weshalb auch?«
»Und wo war Ihr Mann?«
»Er hatte Notdienst. An diesen Tagen pflegt er in der Wohnung über seiner Praxis zu schlafen.«
»Und Sie waren in jener Nacht nicht in seiner Praxis?«
»Was soll diese Fragerei? Ich denke, Sie jagen den Mörder von Selina, und jetzt auf einmal wollen Sie wissen, was ich Mittwochnacht gemacht habe. Nein, ich war nicht in der Praxis.«
»Sie haben dort auch nicht angerufen?«
»Nein, habe ich nicht, es gab keinen Grund dafür. Würden Sie mir bitte einmal verraten, was Sie mit diesen Fragen bezwecken?«
»Hat oder hatte Ihr Mann Feinde?«, fuhr Durant unbeirrt fort.
»Nicht dass ich wüsste, aber fragen Sie ihn doch selber«, entgegnete sie schnippisch.
»Das haben wir bereits. Ich wollte es von Ihnen hören.«
»Nein, er hat keine.«
»War Ihnen bekannt, dass Ihr Mann ein Verhältnis mit Selina hatte?«
Emily Gerber sah die Kommissarin ungläubig an, löste sich vom Fenster und stellte sich unmittelbar vor Durant. Sekundenlanges Schweigen.
»Habe ich das richtig verstanden? Wiederholen Sie das noch einmal?«
»Ihr Mann hatte ein Verhältnis mit Selina. Es war Ihnen also nicht bekannt?«
»Nein, das höre ich zum ersten Mal. Hat er es Ihnen gesagt?« Ihre Stimme wurde urplötzlich leise und sanft. Sie drehte sich um,ließ sich in den Sessel fallen, den Kopf nach hinten gelegt, den Blick zur Decke gerichtet.
»Ja.«
»Andreas und Selina. Das ist ein Ding. Ich hätte alles für möglich gehalten, nur das nicht. Das muss ich erst einmal verdauen. Dann war Selina doch nicht das Unschuldslamm, als das wir sie alle gesehen haben. Seit wann ging das zwischen den beiden?«
»Seit Mai.«
»Und Sie verdächtigen jetzt meinen Mann, sie umgebracht zu haben?«
»Wir müssen es zumindest in Erwägung ziehen. Außerdem sprechen momentan die Indizien gegen ihn.«
»Vergessen Sie’s! Sollte es wirklich stimmen, dass er was mit Selina hatte, dann war das nicht allein seine Schuld, sondern auch meine. Entschuldigen Sie, wenn ich eben so schroff war, aber meine Nerven liegen im Moment blank.«
»Inwiefern war es auch Ihre Schuld?«
»Das will ich Ihnen ja gerade erklären. Ich habe mich in den letzten Monaten sehr zurückgezogen und ihn auch sehr verletzt. Ich habe ihn mehr verletzt, als ein Mann wie er normalerweise aushalten kann.« Sie schluckte und hatte Mühe, die Tränen zu
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