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Kaltes Blut

Kaltes Blut

Titel: Kaltes Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Franz
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ihr geschehen ist. Ich wusste im ersten Moment gar nicht, was ich denken sollte, es war einfach eine unglaubliche Leere in mir. Und dann kam mir dieser Anruf in den Kopf. Irgendwer hat mich aus dem Haus gelockt, weil derjenige von mir und Selina wusste. Dann hat er … Nein, Moment … Selina muss ihren Mörder gekannt haben. Wahrscheinlich hat er geklingelt und sich auch gemeldet, und sie hat ihm arglos die Tür geöffnet. Und das war ihr Todesurteil. Das ist es, ich habe keine andere Erklärung. Es muss jemand sein, der so eifersüchtig war, dass er Selina lieber tot sehen wollte als mit mir zusammen.«
    »Haben Sie denn jemals mit einer anderen Person über Ihre Beziehung zu Selina gesprochen?«
    »Um Himmels willen, nein! Auch Selina hat mit niemandem darüber gesprochen, das hat sie mir nicht nur einmal versichert. Und auf Selinas Wort war Verlass. Sie war die personifizierte Ehrlichkeit.«
    »Aber ihren Eltern gegenüber hat sie gelogen.«
    »Das ist doch etwas anderes! Hätte sie ihnen vielleicht sagen sollen, dass sie ein Verhältnis mit ihrem Patenonkel hat? Mit einem verheirateten Mann, der ihr Vater hätte sein können, der eine scheinbar mustergültige Ehe führt, der eine traumhaft schöne Frau hat und trotzdem den Hals nicht voll genug kriegen kann? Hätte sie ihnen das sagen sollen? Nein«, stieß er kehlig auflachend hervor, »das hätte sie nie getan. Und soll ich Ihnen noch etwas sagen. Sie hat mir noch am Dienstag erzählt, dass sie einmal Kinder haben möchte, am liebsten drei. Ich habe nur gelacht und gesagt, ich hoffe nicht von mir. Daraufhin hat sie auch nur gelacht und gemeint, natürlich nicht von mir, sondern von einem Mann, der jünger ist als ich. Sie hat es mir offen ins Gesicht gesagt, ohne dabei jedoch verletzend zu sein. Ich sage Ihnen ja, sie war etwas ganzBesonderes. Ich kenne nur noch eine Frau, die so besonders ist – Emily.«
    »Ich will Ihnen jetzt nicht zu nahe treten, aber hatten Sie eigentlich schon immer einen Hang zu jüngeren Frauen? Ich meine, zu viel jüngeren Frauen?«
    Gerber lachte kurz auf und schüttelte den Kopf. »Nein, es hat sich einfach so ergeben. Meine erste Ehe war eine einzige Katastrophe. Wir waren beide gleich alt, aber wir haben in verschiedenen Welten gelebt. Dann bin ich Emily begegnet, ich war neunundzwanzig und sie sechzehn. Wir haben geheiratet, als sie achtzehn war. Ich war vom ersten Moment an, als ich sie gesehen habe, fasziniert von ihr. Sie war so unbekümmert und unbeschwert und für ihr Alter erstaunlich reif, ähnlich wie Selina. Selina kam zur Welt, als Emily und ich gerade mal ein Jahr zusammen waren, aber noch nicht verheiratet. Und da ich mit Peter seit meiner Jugend befreundet bin, hat er mich natürlich gefragt, ob ich nicht Selinas Patenonkel werden möchte. Ich habe sie heranwachsen sehen, und wir wohnen ja im Prinzip nur wenige Meter auseinander, da läuft man sich unwillkürlich des Öfteren über den Weg. Dass es aber einmal so weit kommen würde, dass ich mit ihr … Nein, daran hätte ich bis vor wenigen Monaten nicht einmal im Traum gedacht. Und es hätte nie passieren dürfen. Jetzt ist alles ruiniert … Wenn die Leute das erfahren, dann …«
    »Jetzt mal ganz ruhig«, sagte Hellmer, wurde aber von Gerber gleich wieder unterbrochen.
    »Emily wird es erfahren, Peter und Helga, es ist alles vorbei. Ich kann meine Sachen packen und irgendwo anders hingehen, hier werden sie mir den Boden unter den Füßen wegreißen. Ich weiß ja nicht, inwieweit Sie die Menschen hier kennen, Sie wohnen ja erst relativ kurz in Okriftel, aber ich lebe seit über zwanzig Jahren hier. Das hier ist tiefste Provinz, das kann ich Ihnen versichern.« Er stand auf, die Unruhe hatte ihn wieder gepackt. Immer und immer wieder fuhr er sich mit den Händen übers Gesicht. »Mein Gott, was habe ich bloß angerichtet?!«
    »Ja, Sie haben etwas angerichtet, was nicht rückgängig gemacht werden kann«, sagte Julia Durant, die das meiste von der Terrassentür aus verfolgt hatte und nun wieder ins Zimmer kam. »Wir müssen Sie leider bitten, uns aufs Präsidium zu begleiten. Sie stehen unter dringendem Mordverdacht.«
    »Weshalb?!«, schrie er verzweifelt. »Nur weil ich ein Verhältnis mit Selina hatte? Welchen Grund hätte ich haben sollen, sie zu töten?«
    »Dr. Gerber, ich bitte Sie«, sagte Durant hart, »der Grund liegt doch auf der Hand. Selina war schwanger und hat Sie unter Druck gesetzt. Was glauben Sie, wie oft ich schon mit ähnlich gelagerten

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