Kaltes Fieber - Ein Lucas-Davenport-Roman
Stunde«, erklärte Del, als Lucas und Sloan bei ihm eintrafen.
Del trug Jeans, ein T-Shirt und aus einem unerfindlichen Grund - es war sommerlich warm - eine blaue Wollmütze, aber niemand sprach ihn darauf an. Mit seinem wettergegerbten Gesicht sah er aus wie ein Veteran des Marinekorps, trotz seines Metallica-T-Shirts. »Wir haben eine halbe Stunde damit vergeudet, am Flussufer bei der Uni nach ihm zu suchen, während er tatsächlich schon unten bei St. Thomas war.«
»Okay, und wo ist er jetzt?«, fragte Lucas. Sie hatten den Truck bei dem halben Dutzend Streifenwagen am Mississippi River Boulevard abgestellt und schauten hinunter auf das Flusstal, das St. Paul von Minneapolis trennt. Die Ufer waren recht steil und mit Büschen und Bäumen bewachsen. Sandsteinfelsen traten zwischen dem Grün zutage; der Mississippi wälzte sich in seinem üblichen sommerlichen Zustand - schlammig und träge - zwischen den Anhöhen hindurch.
Del hob die Schultern. »Er hat wohl gesehen, dass wir hinter ihm her waren, denn er ist wie vom Erdboden verschwunden. Dick Douglas hat ihn gesichtet und uns verständigt, und wir kamen her. Aber nichts mehr von ihm zu sehen …«
»Die Höhlen«, warf Sloan ein.
»Douglas war sicher, dass es West war?«, fragte Lucas.
»Er ist jedenfalls der Mann, den man uns geschildert hat. Wir fanden diesen Gary, den Schnorrer. Er sagte, der Gesuchte sei Mike West. Er nennt ihn Mikey. Er verwies uns an diese Frau, sie heißt Sandy, die West gut kennt. Sandy ist Studentin an der Uni, jobbt in einer Cafeteria und gibt West oft Essensreste.«
»Wir müssen Sandy herholen«, sagte Sloan.
Del nickte. »Sie ist unterwegs. Jenkins und Shrake bringen sie her.«
»Um Himmels willen, ich hoffe, du hast ihnen gesagt, sie sollen sanft mit ihr umgehen«, sagte Lucas besorgt. Shrake prahlte öfter damit, Jenkins und er hätten bei Festnahmen »eine Fehlerquote von 740 Prozent«, womit er zum Ausdruck bringen wollte, dass sie nicht lange fackelten und bei solchen Gelegenheiten die Betroffenen sofort mit gezogenen Pistolen dieses Kalibers zum Mitkommen überredeten. Lucas war sich nicht sicher, ob Shrake das nur scherzhaft meinte.
»Ach was, die machen das schon richtig«, besänftigte Del. »Sie sind nur manchmal ein bisschen nervös.«
Sie fanden West, noch ehe Sandy eintraf. Zwei Cops auf halber Höhe des Abhangs und rund zweihundert Meter weiter südlich riefen ihnen etwas zu und gaben Zeichen, deuteten auf eine bestimmte Stelle am Hang. Einige College-Studenten, die sich auf dem Gehweg versammelt hatten, stießen zunächst sarkastische Jubelschreie aus, gingen dann aber rasch zu Buhrufen über. Die Cops beugten sich zum Hang hin und stießen weitere Rufe aus. »Was zum Teufel ist da los?«, wunderte sich Del. Sie setzten sich in Marsch, stiegen den Abhang hinunter, hielten sich an Baumästen und Buschzweigen fest, schlitterten in ihren Stadtschuhen den Berg hinunter.
»Was ist los?«, fragte Lucas, als sie die beiden Cops erreichten.
Weitere Cops hasteten vom Höhenrand auf die Stelle zu.
»Da ist er«, sagte einer der Cops. Er schwitzte und war stinkwütend. Er deutete auf eine Stelle am Hang, und Lucas brauchte einen Moment, um zu erkennen, auf was er zeigte - auf die abgewetzten Sohlen zweier Turnschuhe, die rund zwanzig Zentimeter tief in einem engen Loch steckten. Das Loch war so eng, dass jenseits der Sohlen eigentlich gar kein ausgewachsener Mann stecken konnte; es erstreckte sich, vom Wasser aus dem Sandstein ausgewaschen, offensichtlich horizontal in den Abhang.
Lucas bückte sich, um einen genaueren Blick auf die Schuhsohlen werfen zu können; Sloan und Del taten das Gleiche links und rechts von ihm. »Kommen Sie da raus«, sagte Lucas in das Loch hinein. Als mögliche Erwiderung hörte er ein gedämpftes Grunzen.
»Er hält sich an irgendwas da drin fest«, sagte einer der Cops. »Wir haben versucht, ihn rauszuziehen, aber es geht nicht.«
»Wie wär’s mit ein paar Schaufeln?«, fragte Del.
»Dazu ist das Gestein zu hart. Wir bräuchten Presslufthämmer.«
»Wir könnten es ja auch mit Dynamit versuchen«, schlug jemand vor. Die meisten der uniformierten Cops hatten ihren Spaß daran, die bekannten Detectives auf diese verdammten Schuhsohlen starren zu sehen. »Vielleicht sollten wir einen Mastdarmfacharzt oder einen Geburtshelfer einschalten«, meinte ein anderer Cop. »Ich wette, so einer bekäm ihn da raus.«
»Er wird doch hoffentlich da drin nicht ersticken?«, fragte Lucas mir
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