Kaltes Fieber - Ein Lucas-Davenport-Roman
waren Silhouetten zu erkennen. Hart rief laut: »Ab sofort Ruhe!«, was mit empörten Schreien und lautem Knurren quittiert wurde. Hart gab einen Code in ein Wandtelefon ein, eine Kamera richtete sich auf sie, und Hart machte ein Zeichen in ihre Richtung. Schwere Plastikjalousien glitten daraufhin vor den Fenstern herunter.
»Sie können bei runtergelassenen Rollläden nicht miteinander reden«, sagte Hart. Man konnte aber dennoch Schreie einiger Insassen hören.
»So ganz bringt es die Leute nicht zum Schweigen«, stellte Sloan fest.
»Ja, sicher, sie können einander noch hören, aber die, die etwas verkünden wollen, müssen laut schreien, um sich verständlich zu machen«, sagte Hart. »Das halten sie nicht lange durch. Mit normaler Lautstärke ist jedenfalls keine Verständigung möglich.«
Die Zellen waren nicht groß, aber doch größer als die üblichen Gefängniszellen. Jede war bestückt mit einem Bett, einem Waschbecken, einer Toilette, einem Stuhl und einem kleinen Schreibtisch, alles fest im Boden verankert; in die Decke waren Lampen eingelassen, und ein Klapptisch zur Einnahme der Mahlzeiten war an einer der Wände befestigt. Ein Fernsehgerät war hinter einer Scheibe aus Sicherheitsglas in eine andere Wand eingelassen; zwei ebenfalls mit dickem Glas gesicherte Linsen von Videokameras starrten von zwei Seiten in die Zelle hinab.
Von den zwanzig Zellen waren fünfzehn oder sechzehn belegt.
Carl Taylor war ein großer Mann, schlank, mit kräftigen Schultern, hohen Wangenknochen, blassblauen Augen und kurzem Haarschnitt; er sah aus wie ein pensionierter Major
der Air Force und war ordentlich gekleidet - Jeans, T-Shirt, Schuhe mit Klettverschluss. Er saß am Schreibtisch und las in der Bibel. Er sah, wie Lucas fand, irgendwie widersprüchlich aus, und er brauchte einen Moment, um diesen Widerspruch auflösen zu können: Taylor wirkte adrett und robust, fast wie ein Naturbursche - aber sein Gesicht war wegen des Mangels an Sonnenlicht kreidebleich.
Er erwartete sie: Lucas spürte das. Seine demonstrative Gleichgültigkeit ihrem Besuch gegenüber wirkte gekünstelt, er beschäftigte sich nicht wirklich mit der Bibel. Nachdem sie nacheinander einen Blick durch den Türspion in die Zelle geworfen hatten, schob Hart die Jalousie vor dem Fenster in die Höhe, drückte auf einen Knopf an der Seite, und das äußere Glasfenster vor dem Fenstergitter glitt auf; in der Mitte des inneren Panzerglasfensters waren kleine Löcher angeordnet, um das Sprechen mit dem Insassen zu ermöglichen. Hart sagte: »Carl …«
Taylor wandte sich ihnen zu, hob die Augenbrauen, als ob er ein wenig erstaunt sei, sie zu sehen.
»Dr. Hart …« Er runzelte die Stirn. »Ich habe mir nach dem Anruf von Dr. Ross ein paar Gedanken gemacht. Ich bin nicht überzeugt, dass ich mit diesen Gentlemen reden sollte.«
»Okay, das bleibt Ihnen überlassen«, sagte Lucas. »Wenn Sie nicht mit uns reden wollen, gehen wir ganz einfach wieder.«
Taylor stand auf und streckte sich. »Nun, ich denke, wir sollten auf jeden Fall erst einmal über ein paar grundsätzliche Regeln sprechen.«
»Da sind keine Regeln zu besprechen«, erwiderte Lucas. »Wir stellen Ihnen Fragen, Sie beantworten sie. Falls Sie nicht antworten wollen, verschwinden wir wieder. So einfach ist das.«
Taylor beugte sich zum Fenster vor. »Nichts ist einfach.«
»O doch, es ist ganz einfach«, sagte Lucas.
Sloan schüttelte den Kopf, sah Taylor an und erklärte: »Mein Freund hier steht unter Zeitdruck, weil wir es mit einer verkorksten Sache zu tun haben. Wir brauchen Ihre Hilfe, und wir hoffen, Sie sind dazu bereit. Aber wir sind nicht zu einer Plauderei gekommen. Wir sind in einer Mission hier.«
»Ich verstehe«, erwiderte Taylor. Er gab sich jetzt sehr höflich. Er trat vor, bis dicht ans Fenster; es gab keine Sitzgelegenheit, von der aus er bequem mit den Cops reden konnte. Er steckte die Hände in die Jeanstaschen, hob die Schultern und sagte: »Ich würde mich freuen, Ihnen helfen zu können - Dr. Ross hat mir dafür einige kleinere Vergünstigungen in Aussicht gestellt.«
Hart sagte: »Die Extras beim Abendessen, die Filme. Das ist alles, was wir Ihnen zugestehen.«
Taylor nickte: »Okay, was kann ich also für Sie tun?«
Sloan fragte: »Haben Sie von den Morden an Angela Larson und Adam Rice und seinem Sohn gehört?«
»Ja.« Und jetzt lächelte er, ein dünnes, unheimliches Lächeln. Sein adrettes und kraftvolles Aussehen und die militärische
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