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Kaltes Fleisch. Ein Mira-Valensky-Krimi

Kaltes Fleisch. Ein Mira-Valensky-Krimi

Titel: Kaltes Fleisch. Ein Mira-Valensky-Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Rossmann
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Wir erwarteten keine Antwort, trotzdem standen wir wohl zwei, drei Minuten im Flur, bis Vesna behutsam, als würde sie einbrechen, die Wohnungstür aufschloss. Ich nickte ihr zu. Langsam öffnete Vesna die Tür. Der kleine Vorraum. Mir klopfte das Herz, und auch Vesna sah ich an, dass ihr das Ganze nicht einerlei war. Wir blickten um uns. Jetzt sollte man eine Waffe haben, ging mir durch den Kopf. Warum eigentlich? Was erwartete ich? Einen Mörder, der neben der roten Karin ausgeharrt hatte und sich jetzt auf uns stürzen würde? Der Vorraum war zusammengeräumt, nichts deutete auf einen überhasteten Aufbruch oder gar einen Kampf hin. Noch immer sprachen wir kein Wort. Vesna winkte mir, und gemeinsam sahen wir in die Küche: Einbaumöbel aus hellem Holz, im Spülbecken stand eine große gelbe Kaffeetasse. Ich öffnete den Geschirrspüler. Er war halb voll.
    Weiter auf leisen Sohlen ins Wohnzimmer: Der Esstisch mit vier gepolsterten Sesseln, der schwere dunkelbraune Ledersessel. Die Einbauwand mit Fernseher. Keine Spur von Karin Frastanz.
    »Die ist nicht da«, sagte Vesna in die Stille hinein.
    Ich nickte.
    Das Schlafzimmer. Ein Einzelbett mit geblümter und sorgfältig glatt gestrichener Bettwäsche, es schien mir für die rote Karin viel zu kurz und zu schmal zu sein. Am Fenster ein Schreibtisch, auf dem ein paar Rechnungen, Prospekte und ein paar Zeitungen lagen. Kein Drohbrief, keine verfänglichen Aufzeichnungen, alles sauber. Wir schüttelten den Kopf.
    »Das Badezimmer«, sagte ich und musste mich räuspern, so eingerostet waren meine Stimmbänder durch das lange, intensive Schweigen. Vesna nickte und öffnete auch diese Tür. Hellblaue Kacheln, ein Waschbecken, eine Waschmaschine, eine Dusche mit blau gestreiftem Synthetikvorhang. Langsam zog ich den Vorhang weg. Nichts. Genauso wenig Ungewöhnliches konnten wir im WC entdecken. Die rote Karin war verschwunden, ohne besondere Spuren zu hinterlassen. Ohne ihre lärmende Energie, ihr Lachen, ihr Temperament wirkte die Wohnung ausgestorben. Ihre Habseligkeiten hätten sich in drei, vier Kisten verstauen lassen, dann wäre von ihr gar nichts mehr übrig gewesen, und die Wohnung hätte neu bezogen werden können. Ob alle Wohnungen hier so wirkten? Wohnen auf Abruf, bis …
    Vesna rief mich ins Vorzimmer. »Ihr Mantel ist weg. Sie hat immer den gleichen an, sie hat den Mantel letztes Jahr im Ausverkauf gekauft, hat sie erzählt, etwas mit Kaschmir. Ihre Handtasche kann ich auch nicht finden.«
    »Was hatte Karin eigentlich für Hobbys?« Ich ertappte mich dabei, dass ich von ihr schon in der Vergangenheitsform redete, und korrigierte mich rasch.
    Vesna tat so, als hätte sie nichts bemerkt. »Außer der Gewerkschaft? Ich weiß nicht, man kennt Leute oft nicht so gut, wie man glaubt.«
    »Der Schrebergarten, wir haben ihren Schrebergarten vergessen. Sie könnte dort sein.«
    Es war schon deutlich nach Mitternacht, als ich endlich das Häuschen inmitten der Kleingartensiedlung fand. In der Nacht sah eines wie das andere aus, Zwergenwelt der Eigenheime und Gärten, eingewintert, vielleicht würden sie im Frühjahr wachsen. Dass um die Zeit kein Licht brannte, war nicht weiter verwunderlich. Gemeinsam rückten wir eine Bank zum Gartenzaun, das reichte aus, um bequem rüberklettern zu können. Das Gras war feucht, die Erde gab unter unseren Schuhen nach. Vorsichtig, langsam, zögerlich setzten wir die paar Schritte vom Zaun zur Verandatüre. Wir sahen hinein. Der Tisch war diesmal leer, wir konnten keine Anzeichen ausnehmen, dass die rote Karin hierher geflüchtet war. Wovor geflüchtet? Das Schlafzimmer, so hatte sie mir bei ihrer Genesungsparty erklärt, sei ein Kämmerchen im ausgebauten Dach. Ich klopfte an die Glastüre. Dumpfe Geräusche, die einzigen rundum. Ganz weit entfernt hörte man, dass auf der Hauptstraße noch immer Autos unterwegs waren. Ich klopfte lauter. Schließlich riefen wir. Kein Lebenszeichen von Karin. Vielleicht schlief sie mit Ohropax.
    Wir kletterten zurück über den Zaun. Wenn wir wenigstens gewusst hätten, welches Auto sie fuhr. Auf dem großen Parkplatz standen einige, jedes davon konnte ihr gehören. Ich rief ihren Sohn an. Wir konnten ihm nichts Beruhigendes sagen, auch ihren grünen Opel entdeckten wir nicht.
    Man konnte die Sache aber auch ganz anders sehen. Der Leiter der Marketingabteilung der Kauf-AG rief am nächsten Morgen in der Redaktion an, um mir klar zu machen, dass beim Ultrakauf in der Mayerlinggasse alles in bester

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