Kaltes Fleisch. Ein Mira-Valensky-Krimi
wie es bisher war?«
11.
Ich goss die Blumen im Wohnzimmer. Ich mag Grün, habe aber alles andere als einen grünen Daumen. Für gewöhnlich sorgte Vesna dafür, dass die Pflanzen überlebten. Aber seit Vesna ihren Job im Ultrakauf angetreten hatte, kam sie nur mehr einmal pro Woche. Vielleicht sollte ich doch zu Oskar ziehen? Bei ihm wucherte das Grünzeug. Ich seufzte. Unser Gespräch ging mir nicht aus dem Kopf. Ich hatte den Eindruck, ihn enttäuscht zu haben. Ich wollte ihn nicht verlieren. Ich wollte aber auch mich nicht verlieren. War das so einfach? Jedenfalls liebte ich nicht nur ihn, sondern auch meine Unabhängigkeit. Ich war stolz auf sie. Ich hatte gelernt, selbst durchs Leben zu kommen, niemand anderen verantwortlich zu machen, wenn’s nötig war, mich auch selbst wieder aus dem Dreck zu ziehen. Was hatte die Psychotherapeutin letztes Jahr gesagt? Dass ich lernen sollte, mich auf andere zu verlassen. Auf Vesna verließ ich mich. Aber das war etwas anderes.
Ob unser anonymer Brief inzwischen Wirkung gezeigt hatte?
Mein Magen knurrte. Der Lammschlegel duftete verführerisch. Vor vier Stunden hatte ich das Fleisch angebraten und dann mit einigen Zweigen Rosmarin und Olivenöl bei hundertvierzig Grad ins Rohr geschoben. Eine Stunde noch, dann würde Vesna kommen. Sie liebte Lamm.
Ich ging in die Küche und schälte große, mehlige Kartoffeln. Bisher jedenfalls hatten die Cognacdiebe dichtgehalten. Vesna hatte am Telefon sogar amüsiert erzählt, dass sie vom Lagerarbeiter Franjo nun mit äußerstem Respekt behandelt wurde.
Zehn Knoblauchzehen schälen. Kartoffeln und Knoblauchzehen großzügig salzen. Zu schade, dass mir Vesna verboten hatte, mehr als das Lamm vorzubereiten. Erstaunlicherweise aß Vesna lieber viel von einem besonders guten Gericht, als dass sie sich durch ein ganzes Menü durchkosten mochte – dabei wusste ich aus eigener Erfahrung, dass man doch auch viel von mehreren Gängen essen konnte. Aber deswegen hatte ich eben ein paar Kilo zu viel und Vesna nicht.
Ich wuchtete die schwere gusseiserne Pfanne aus dem Rohr und hob den Deckel. Das Lamm löste sich schon vom Knochen. Ich konnte nicht anders, ich musste eine heiße Fleischfaser herunterreißen und verbrannte mir dabei natürlich prompt die Finger. Der Geschmack des Lammstücks entschädigte mich. Ich gab Knoblauch, Kartoffeln und zwei weitere Rosmarinzweige dazu in den Topf, goss mit ganz wenig Rotwein auf und schob ihn wieder ins Rohr.
Draußen begann es zu schneien. Ein eiskalter Spätherbst.
Das Telefon läutete, und ich hoffte, dass es Oskar wäre. Am Apparat war meine Mutter. »Schneit es bei euch auch?«, fragte sie zur Eröffnung.
»Ja, es hat eben angefangen.« Meine Jahreszeit war der Sommer, aber trotzdem: Schneeflocken mochte ich. Mir war friedlich zumute.
»Papa will wissen, wann du zu Weihnachten kommst.«
»Warum fragt er mich dann nicht?«
Meine Mutter seufzte den Seufzer, den ich unter hunderttausenden identifiziert hätte. Ich kannte ihn aber auch bereits seit beinahe vierzig Jahren.
»Also gut«, lenkte ich ein. »Ihr seid wie immer zu den Festtagen daheim?«
»Das weißt du ja. Es sind zu viele Feiern rundum, auf die dein Vater gehen muss. Nicht, dass er es gerne tut, aber …«
Mein Vater hätte ohne seine politischen Verpflichtungen als Obmann des Pensionistenverbandes gar nicht gewusst, was er tun sollte. Meiner Mutter war das klar, und sie war froh, ihn auch nach seiner Pensionierung als Landesrat nicht ständig im Haus zu haben. Mir würde nichts anderes übrig bleiben, als zumindest einen der Feiertage bei meinen Eltern zu verbringen. Ich mag meine Eltern, aber für gewöhnlich ist es besser, wenn eine gewisse räumliche Distanz zwischen uns liegt. Wir sind zu verschieden. Und sie haben es nie aufgegeben, mich erziehen zu wollen.
»Ich komme am 25., passt euch das?« Besser, es gleich hinter mich zu bringen.
»Ja, das passt wunderbar. Nimmst du deinen …«
Bei meinem letzten Besuch hatte ich Mutter in einem schwachen Moment von Oskar erzählt.
»… deinen Freund, oder wie man da sagt, mit?«
»Ich werde ihn fragen.« Ich hatte nicht vor, mir das anzutun. Mit Schrecken erinnerte ich mich noch an die Begegnung meiner Eltern mit Joe. Sie war mehr oder weniger zufällig am Rande einer Veranstaltung passiert. Meine Mutter hatte Joe gefragt, ob er bei mir feste Absichten habe, und mein Vater hatte ihn über seine finanziellen Verhältnisse ausgehorcht.
»Er ist sicher sehr nett«, fuhr meine
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