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Kaltes Fleisch. Ein Mira-Valensky-Krimi

Kaltes Fleisch. Ein Mira-Valensky-Krimi

Titel: Kaltes Fleisch. Ein Mira-Valensky-Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Rossmann
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zwei Tage geschafft hatte zu tun, als ob nichts wäre als Liebe, Wonne, Eierkuchen? Ein begabter Heuchler.
    Ich nahm einen großen Schluck. Wahrscheinlich war ich nur so sauer, weil ich mich vor dem Treffen mit seiner Mutter fürchtete. Ich habe ein gewisses Bild von Hofratswitwen. Und ich hatte den Verdacht, dass Hofratswitwen ein gewisses Bild von mir hatten. Weihnachten, im Kreis der Großfamilie – das war der denkbar schlechteste Zeitpunkt, um sich vorsichtig einander zu nähern.
    Oskar hatte mir von seinen Weihnachtsabendessen schon zu einer Zeit erzählt, zu der weder er noch seine Mutter auf die Idee gekommen waren, mich einzubeziehen. Zu Weihnachten stellten sie eine Frau an, die das Essen zubereitete und servierte. Das ganz besonders feine Porzellan wurde herausgesucht, das weiß-damastene Tischtuch, das es schon seit Oskars Kindertagen gab. Normalerweise saßen neun Personen bei Tisch: Oskar, das Einzelkind, war bei weitem der Jüngste der Gesellschaft. Drei Schwestern seiner Mutter, zwei davon mit Mann, ein Cousin und eine Tante, die schon über neunzig war. Nach dem Essen entzündete Oskar die Kerzen am Christbaum und läutete mit einem alten Glöckchen, das es auch schon seit seiner Kinderzeit gab. Dann wurden Weihnachtslieder gesungen, die beiden Tanten, die Mittelschullehrerinnen gewesen waren, sangen die zweite Stimme. Es folgte die Bescherung. Mir schauderte. Diesmal wäre der Höhepunkt des Festes die Vorführung von Oskars neuer Liebe. Ich konnte mir lebhaft vorstellen, wie die älteren Damen Oskar vergötterten. Nichts und niemand war für ihn gut genug.
    Ich schenkte mir einen zweiten Whiskey ein. Ich würde ihm vorschlagen, seine Mutter in neutraler Atmosphäre irgendwann nach Weihnachten zu treffen. Wenn es schon sein musste. Wir waren einigermaßen erwachsen. Warum konnten wir dann nicht einfach für uns leben?
    Er war stur geblieben, verständnisvoll in gewisser Weise, aber in der Sache stur. Was soll’s. Ich fühlte mich allein auch wohl. Zumindest war es bisher meistens so gewesen. Ich sah nach, was es im Kühlschrank außer Fleisch noch gab. Nun erst bemerkte ich, dass der Anrufbeantworter im Vorzimmer blinkte. Oskar wollte einlenken. Zeit genug, um zurück zu ihm zu fahren. Ich würde ihm verzeihen. Das schöne Wochenende sollte auch schön ausklingen.
    Ich drückte die Taste. Auf dem Band war die Stimme der Lebensmittelchemikerin: »Ich wollte mich sofort melden. Keine der Proben ist gesundheitsgefährdend.«
    Noch ein Flop. Ein doppelter Flop. Es war nicht Oskar gewesen, der angerufen hatte, und bei der Fleischgeschichte hatten wir uns gründlich geirrt. Ich schenkte mir einen nächsten Whiskey ein und hörte mit einem halben Ohr weiter zu.
    »Ich habe das Wochenende ohnehin bei ein paar komplizierten Analysen im Labor verbracht und nebenher mit zwei Praktikanten die Fleischanalysen gemacht. Etwas Eigenartiges ist uns aber schon aufgefallen: Bei fünfzehn der Rindfleischproben handelt es sich um aufgetautes Fleisch. Haben Sie das Fleisch tiefgefroren? Die Qualität der Fleischproben entspricht trotzdem annähernd unserem Lebensmittelgesetz, es ist durchaus genießbar, wenn auch Fleisch von minderer Qualität als das Frischfleisch. Zumindest aber dürfte man das Fleisch nicht noch einmal einfrieren. Die anderen Proben waren, mit den üblichen paar Abweichungen, in Ordnung. Ich bin morgen ab neun Uhr wieder im Labor zu erreichen und freue mich, wenn Sie sich melden!«
    Ich war mit meinem Whiskey im Vorzimmer stehen geblieben. Aufgetautes Fleisch. Ultrakauf warb mit der »Frischfleischgarantie«. Fleisch, das tiefgefroren gewesen war, musste entsprechend gekennzeichnet sein.
    Offenbar mischte die Geschäftsführung zum frischen Rindfleisch eine gewisse Menge aufgetautes Fleisch. Der roten Karin könnte das aufgefallen sein. Mir nicht, aber sie war immerhin Fleischermeisterin. Der Filialleiter hatte auch nichts bemerkt. Das war in diesem Fall glaubhaft. Vielleicht aber wusste er von dem Schwindel. Nein, das hielt ich für unwahrscheinlich. Er war nur ein kleines Rädchen im Unternehmen. Warum war die Aktion sonst niemandem vom qualifizierten Personal aufgefallen? Wahrscheinlich, weil niemand etwas merken wollte. Zwischen der einen oder anderen Umpack- und Fleischverjüngungsaktion im Kleinen und dem Verkauf von aufgetautem Fleisch im Großen bestand ja nun wirklich kein besonderer Unterschied. Der Profit wurde erhöht, niemand erlitt ernsthaften Schaden. Die Gewinnspanne war eben

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