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Kaltes Gift

Kaltes Gift

Titel: Kaltes Gift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nigel McCrery
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könne
er auch einer solchen Ermittlung nicht zustimmen, doch dadurch, dass
jetzt der Volvo 740 als Verbindung zwischen der Toten im
Wald – die zweifelsfrei ermordet worden war – und den
Leichen in dem Bauernhaus dienen konnte, wirkten seine Einwände
halbherzig und waren von jemandem, der immer noch ein paar Freunde bei
Scotland Yard hatte, mit Leichtigkeit beiseitegeschoben worden.
    Die Hälfte des Raumes im Chelmsford HQ war mit Schreibtischen
vollgestellt, jeder mit eigenem Telefon und Computer bestückt, jedes
Telefon mit einem Headset ausgerüstet, jeder Computer mit direktem
Zugang zum Polizei-Network. Die andere Hälfte wurde von zwei
Weißwandtafeln beherrscht. Die erste war von oben bis unten mit Fotos
der Opfer bedeckt, darunter mit Filzstift geschriebene Anmerkungen.
Normalerweise verliefen auf solchen Ermittlungstafeln zwischen den
Fotos Striche, die Verbindungen anzeigten: durchgehende Linien für
nachgewiesene Verbindungen, gestrichelte zwischen denen, bei denen eine
Verbindung zwar wahrscheinlich, jedoch nicht bewiesen war. Auf dieser
Tafel hier gab es keine einzige Linie. Trotz all der Polizisten, die
die Telefone und Computer bedienten, hatte bisher niemand irgendeine
Verbindung zwischen den Opfern feststellen können. Keine war mit einer
anderen zusammen zur Schule gegangen, keine hatte mit einer anderen in
derselben Stadt oder im selben Dorf gewohnt, sie hatten weder dieselben
Hobbys gehabt noch dieselben Zeitschriften abonniert. Das Einzige, was
sie gemeinsam hatten, war ihr Geschlecht – es waren alles
Frauen –, ihr Alter – sie waren alle über
sechzig – und eine generelle geographische Eingrenzung. Sie
hatten alle im Süden und Westen Englands gelebt. Und dazu natürlich die
Tatsache, dass sie alle ermordet und verstümmelt worden waren.
    Lapslie stand vor der Tafel mit den Opfern und ignorierte die
Flut aus Rost und Salz und Kokosnuss, die seinen Mund jedes Mal
überschwemmte, wenn er den Einsatzraum betrat und das Geschnatter der
Leute am Telefon oder untereinander hörte, während sie auf ihren
Tastaturen herumklapperten. Unentwegt schob er sich
Atemfrisch-Pastillen unter die Zunge, um die Melange von Geschmäcken zu
überdecken, doch es nützte nichts. Das Problem war psychisch, nicht
physisch. Er versuchte, so viel Zeit wie möglich im Ruheraum
zuzubringen, aber schließlich musste er den Leuten sein Gesicht zeigen,
musste sich ihre Probleme anhören, sie über neue Aspekte des Falles
unterrichten und ganz allgemein als Galionsfigur anwesend sein. Emma
Bradbury bemühte sich nach Kräften, ihm die Last von den Schultern zu
nehmen, doch er hatte schon seit Tagen permanent Kopfschmerzen, und es
fiel ihm schwer, etwas zu essen. Wenn er schon den ganzen Tag über
miteinander kollidierende Geschmäcke im Mund hatte, dann war es das
Letzte, was er wollte, denen noch weitere hinzuzufügen.
    Es machte ihn wahnsinnig. Genau deswegen hatte er ursprünglich
Urlaub vom Polizeidienst genommen; deswegen, und weil er sich von Sonia
und den Kindern trennen musste.
    Lapslie ließ den Blick über die Fotos auf der Tafel gleiten.
Er hatte noch nie sonderlich darüber nachgedacht, aber so, wie alle
Babys ähnliche Züge aufweisen, so war es auch bei älteren Menschen. Als
ob jeder als Einheitsmodell geboren wird und auch genauso stirbt, und
nur die kleine Zeitspanne dazwischen gewährt uns die Möglichkeit, uns
von den anderen zu unterscheiden. Die Übereinstimmungen waren so viel
markanter als die Unterschiede: weißes Haar, Leberflecken auf den
Händen, Haut, die unter dem Kinn in faltige Wülste gesackt war,
nachgezogene Augenbrauen, Tränensäcke, ausgeblichene, trübe
Augenfarben. Irgendetwas sagte Lapslie, dass er ihr Foto, sollte er
seine Mörderin jemals erwischen, wahrscheinlich ebenfalls dort würde
anheften können, und es würde sich glatt in die Reihen der Übrigen
einfügen.
    Unter einigen der Fotos standen Namen: Violet Chambers
natürlich; Daisy Wilson, Deirdre Fincham, Alice Connell, Rhona
McIntyre, Kim Stothard, Wendy Maltravers – alle identifiziert
durch medizinische Unterlagen, zahnärztliche Befunde und dazu
körperliche Merkmale, die Hinweise lieferten. Nicht jedoch durch Listen
vermisster Personen, die ja sonst für die Identifizierung der meisten
Leichen ein entscheidender Faktor waren. Hier waren sie keinerlei Hilfe
gewesen. Denn jede dieser toten Frauen war, den aktuellen
Erfassungsdaten zufolge, noch durchaus mit von der Partie. Sie
beanspruchten Beihilfe,

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