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Kaltes Gift

Kaltes Gift

Titel: Kaltes Gift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nigel McCrery
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mitbringen. Was ist hier los?«
    »Schwer zu erklären, Sir.« Ihr Blick glitt von ihm fort.
»Allerdings nicht so schwer, wie es seiner Frau zu erklären«, sagte sie
kaum hörbar. »Tut mir leid, Sir. Es wird nicht wieder vorkommen.«
    »Emma …« Er nannte sie beim Vornamen, versuchte, die
Barriere zu durchbrechen, die sie errichtet hatte. »Reden Sie mit mir.
Sagen Sie mir, was los ist.«
    Sie seufzte und schaute weg. »Ich war … ich war mit
einem Freund zusammen, als der Anruf wegen der Leiche kam –
wegen der anderen Leiche. Wir waren in einem Hotel. Sein Wagen stand
noch auf dem Parkplatz von dem Club, wo wir uns getroffen haben. Ich
wollte, dass er ein Taxi nimmt, aber er wollte … also, er
wollte unbedingt mitkommen. Ich habe echt gedacht, da würde nicht viel
zu sehen sein, einfach bloß ein Haufen Klamotten oder ein
Landstreicher, der einen Herzinfarkt gehabt hat. Ich dachte, wir wären
innerhalb einer Stunde fertig. Hab nicht damit gerechnet, dass das hier
zu einem Tatort wird.« Sie richtete den Blick wieder auf Lapslie. »Er
ist nicht aus dem Wagen ausgestiegen, Sir. Das versichere ich Ihnen.«
    Lapslie atmete tief durch. Solche Sachen passierten. Manchmal
war es schwierig, Privatleben und Beruf zu entwirren. Er hatte weiß
Gott im Laufe der Jahre genügend eigene Erfahrungen damit gemacht.
    »Okay. Belassen wir es dabei. Bringen Sie Ihren Freund nach
Hause, besorgen Sie sich ein Sandwich und einen Kaffee, und ich sehe
Sie dann später im Büro.«
    »Danke, Boss.« Sie nickte, wartete, bis Lapslie sich in
Bewegung setzte, ehe sie zu ihrem Wagen zurückging. Lapslie ging noch
ein paar Schritte, bis er das Zuschlagen ihrer Autotür hörte, dann
drehte er sich um und sah zu, wie sie den Motor anließ und davonfuhr.
Er blieb noch ein paar Sekunden stehen, schaute ihr nach und überlegte,
ob er die Angelegenheit weiterverfolgen oder sie einfach vergessen
sollte.
    Und gerade, als er begriff, dass dort noch ein anderer Wagen
war, ein schwarzer Lexus mit getönter Windschutzscheibe, etwa vierzig
Meter die Straße runter unter den Bäumen geparkt, ließ auch dieser
seinen Motor an, rollte langsam zwischen den Bäumen hervor und fuhr
davon, hinter DS Bradbury her.

3
    E s war dunkel, als Violet zu dem Haus
zurückkehrte, das einmal Daisys gewesen war und jetzt ihr gehörte. Der
dünne Wolkenschleier, der dem Himmel während des Tages Struktur und
Tiefe gegeben hatte, verlieh dem Abend jetzt eine bedrückende Enge, wie
Laken aus Sackleinwand, die an beiden Seiten der Straße aufgehängt
waren und in der Mitte unter ihrem eigenen Gewicht durchsackten.
    Sie drehte den Zündschlüssel und ließ den Motor ihres Volvos
absterben. Ein paar Sekunden lang schwirrte es noch unter der
Motorhaube, dann herrschte einzig die Stille des Abends. Violet blieb
sitzen, sank gegen die Lehne und ließ die nervöse Anspannung ihres
Körpers abebben.
    Überall entlang der Straße brannte Licht. Hinter all diesen
erleuchteten Fenstern kochten Familien Spaghetti, wärmten Soßen, sahen
fern, erzählten gespannt lauschenden Kindern Geschichten oder saßen
ruhig beisammen und lasen ein Buch. Das Leben ging weiter. Wenn es denn
das Leben war, Abend für Abend immer dieselbe alte Routine zu
wiederholen.
    Erschöpfung hatte sich Violet in sämtliche Gelenke gefressen.
Jedes Mal, wenn sie den Kopf leicht drehte, spürte sie, wie die Muskeln
und Sehnen in ihrem Genick spannten. Manchmal, wenn sie sich so fühlte,
beschlich sie der scheußliche Gedanke, dass sie bloß den Kopf immer
weiter zu drehen brauchte, und die Sehnen würden reißen, eine nach der
anderen, wie Pferdehaare auf einem alten Violinbogen.
    Sie schüttelte sich. Komm schon, Violet, dachte
sie, nimm dich zusammen. Du hast noch was zu erledigen. Dies
war nur der erste Schritt.
    Sie stieg aus dem Wagen, schloss die Tür ab und blickte sich
um. Niemand beobachtete sie. Kein Vorhang bewegte sich. Es drohte keine
Gefahr.
    Natürlich hatte Violet ihren Wagen ein paar hundert Meter von
ihrem neuen Haus entfernt an der Straße geparkt – gegenüber
von einem unbebauten Grundstück, auf dem Kinder am Wochenende Fußball
spielten –, und jetzt ging sie gemächlich auf dem Bürgersteig
zu der vertrauten Haustür mit dem mosaikartig gerissenen Anstrich und
dem mit Klebestreifen verpflasterten Briefkasten. Sie blieb kurz
stehen, betrachtete die schlapp herabhängenden Geranien. Die müssen
weg, dachte sie. Zu trist. Zu langweilig. Zu ausdruckslos.
    Vielleicht sollte sie dort

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