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Kaltes Gift

Kaltes Gift

Titel: Kaltes Gift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nigel McCrery
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Richtung sie strebten, wer sich auf einen Stock stützte und wer
nicht, wer in Begleitung fortging und wer allein.
    Das hier war ihre Beute.
    Und morgen würde die Jagd wieder beginnen.

6
    E inige Wochen nach der Autopsie fuhren Mark
Lapslie und Emma Bradbury gemeinsam in Emmas Mondeo nach Ipswich
hinauf. Rein formal lag Ipswich außerhalb ihres Zuständigkeitsbereichs
und gehörte zu dem der Polizei von Suffolk, aber Lapslie hatte ein paar
Telefonate geführt, bevor er losgefahren war, und sie hatten die
Erlaubnis erhalten, ihre Nachforschungen fortzusetzen. Die Straßen
waren stark befahren, doch Emma schaffte es, sich durch die Masse der
Autos hindurchzuwinden. Sie überholte, wo es nötig, riskierte etwas, wo
es möglich war, damit sie beizeiten ankamen. Lapslie ließ sich einfach
mit geschlossenen Augen in den Beifahrersitz sinken; der Motorlärm
setzte sich in seinem Mund pulsierend in Marmeladengeschmack um und
brachte seine Speicheldrüsen in Wallung. An das Geräusch seines eigenen
Wagens war er so gewöhnt, dass er es nicht mehr schmecken konnte, aber
in Emmas Wagen war er noch nicht lange genug gefahren, um sich an den
Klang des Motors zu gewöhnen oder ihn auszublenden. Er hatte eigentlich
selbst hinauffahren wollen, doch es hatte wenig Sinn, dass sie mit zwei
Wagen fuhren, und die Polizeietikette verlangte nun einmal, dass ein DS
einen DCI chauffierte, und nicht umgekehrt.
    Einmal streckte sie die Hand aus und schaltete das Radio ein.
Entschlossen stellte er es wieder ab. Sie schaute unsicher zu ihm
hinüber, sagte aber nichts.
    Nach einer Serie von Abzweigungen, die immer rascher
aufeinanderfolgten, machte Lapslie die Augen auf und stellte fest, dass
Emma langsamer fuhr und nach einem Parkplatz suchte. Sie befanden sich
auf einer breiten Straße, gesäumt von Silberbirken und Linden, und
hinter den Bäumen waren Doppelhäuser, die irgendwann in den siebziger
Jahren gebaut worden waren. In den meisten der Vorgärten waren
Fahrräder oder Motorroller oder Kinderspielzeug – kleine
Traktoren oder Laster – abgestellt. Die ganze Gegend erweckte
den Eindruck behaglichen Wohlstands und guter Nachbarschaft. Nicht wie
manche heruntergekommene Siedlung, die Lapslie im Laufe der Jahre zu
sehen bekommen hatte. Das war das Elend, wenn man Polizist war. Man
bekam allmählich einen verzerrten Blick auf die Welt.
    Emma hielt auf einem Parkplatz unter einer Linde. Als sie
ausstiegen, warf Lapslie einen Blick zurück. Es fuhren keine anderen
Wagen die Straße entlang. Er fragte sich, wonach er eigentlich Ausschau
hielt. Nach einem schwarzen Lexus vielleicht?
    Er schüttelte den Kopf und wandte sich wieder Emma zu.
Allmählich nahm er diese Verschwörungsidee ein bisschen zu ernst.
    Emma warf einen finsteren Blick auf die von oben
herabhängenden Zweige. »Dieser Baum wird meinen ganzen Wagen mit seinem
Saft vollkleckern«, brummelte sie. »Das weiß ich. Klebriger Lindensaft.
Ist 'ne verdammte Plackerei, den wieder runterzukriegen, aber wenn man
es nicht tut, bleiben Flecken.«
    »Na schön«, meinte Lapslie beruhigend, »wir halten auf dem
Rückweg bei 'ner Waschanlage.«
    Sie zog die Stirn kraus. »Dieser Wagen hat noch nie das Innere
einer Waschanlage gesehen, und ich werde jetzt nicht damit anfangen.
Wissen Sie, was diese rotierenden Bürsten Ihrem Lack antun? Genauso gut
könnte man einen Topfschwamm nehmen.«
    Am Torpfosten des am nächsten gelegenen Hauses war ein Schild
mit der Nummer 58. Ein eisernes Klettergerüst stand auf dem frisch
gemähten Rasen. Ein paar lange Grasbüschel und Gänseblümchen sprossen
dort um das Gerüst herum, wo es auf dem Boden stand. »Das ist Violet
Chambers' letzte bekannte Adresse«, erläuterte Emma. »Sieht nicht
gerade verlassen aus. Und sieht auch nicht so aus, als ob eine alte
Frau dort wohnt.«
    »Wenn sie mit ihrer Familie zusammengewohnt hat, dann hätte
sie doch schon vor einer ganzen Weile jemand als vermisst melden
müssen«, sagte Lapslie.
    »Was den Akten zufolge nicht passiert ist.«
    Lapslie ging auf das Haus zu. Ein Schlafzimmerfenster stand
offen, und ein brauner Toyota Camry Kombi stand in der Einfahrt. Im
hinteren Teil waren zwei rückwärtsgerichtete Sitze angebracht, gerade
groß genug für zwei Sechsjährige.
    Ein warmer Vanillegeschmack durchspülte seinen Mund, und
zunächst wusste er nicht, warum. Doch dann hörte er Kinderstimmen
hinter dem Haus. Von dem Geräusch, dem Geschmack und den Erinnerungen,
die sie heraufbeschworen, wurde ihm plötzlich

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