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Kaltes Gift

Kaltes Gift

Titel: Kaltes Gift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nigel McCrery
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ist
bloß … hin und wieder, da überfällt es mich wie aus dem
Hinterhalt.«
    »Ein Überfall durch einen Geschmack?«
    Er blickte sie an. »Haben Sie je in einen Apfel gebissen und
festgestellt, dass er innen verfault ist? Je ein Stück Schokolade in
den Mund genommen und festgestellt, es ist Kaffee- statt
Erdbeergeschmack? Manchmal können einen Geschmacke überraschen.
Manchmal können sie schockieren. Deshalb musste ich eine Auszeit vom
Dienst nehmen – mich krankschreiben lassen. Bei mir zu Hause
lief es nicht gut, und meine Synästhesie wurde schlimmer. Ich konnte es
nicht mehr aushalten, in einem Büro zu sein und all das Geschnatter,
die Hänseleien, Lügen und Falschheiten der Leute zu schmecken. Ich war fix und fertig. Der Chief Super hat mich für ein paar
Wochen beurlaubt. Ein paar Wochen wurden zu sechs Monaten. Ich hab
seitdem ein paar Gelegenheitsarbeiten für den Super gemacht –
Berichte geschrieben, Untersuchungen zur Verbesserung des
Polizeidienstes angestellt –, aber das hier ist seit langer
Zeit das erste Mal, dass ich wieder aktiv im Einsatz bin.«
    »Und Ihre Familie, Sir? Sie sagen, da lief es nicht sehr gut.«
    »Es wurde immer schlimmer«, sagte er knapp. »Die Synästhesie
hat einen Punkt erreicht, dass ich es nicht mehr ertragen habe, meine
Kinder beim Spielen im Garten zu hören. Ich konnte ihre Stimmen nicht
mehr ertragen, ohne Brechreiz zu kriegen. Es war … schwierig.«
    Eine Untertreibung. Es hatte ihn fast in den Selbstmord
getrieben. Und es hatte ihn und seine Frau auseinandergetrieben.
    Emma zog die Schultern hoch. »Also – danke, dass Sie
es mir erzählt haben. Ich werd's niemandem gegenüber erwähnen.« Sie
strich mit einem Finger über das Dach ihres Wagens, rieb dann die
Finger aneinander und schnitt eine Grimasse. »Verdammter
Lindenkleister. Passen Sie auf mit Ihrem Jackett – das Zeug
kriegt keine Reinigung raus. Sollen wir jetzt weitermachen und mit den
alten Leuten da drüben reden? Wenn's Ihnen gut genug geht, natürlich?«
    »Mir geht's gut.« Er reckte sich. »Und … Danke.«
    »Kein Problem.« Sie zögerte. »Schmecke ich eigentlich nach
irgendwas?« Sie errötete plötzlich. »Ich meine bloß …«
    »Ich weiß, was Sie meinen. Meistens Zitrone. Zitrone und
Grapefruit, wenn Sie in guter Stimmung sind, Zitrone und Limone, wenn
nicht.«
    Sie blickte seltsam zufrieden drein. »Könnte schlimmer sein«,
meinte sie. »Sie kennen doch den Spruch: Wenn Mädchen gemacht sind aus
dem Honig der Bienen, warum schmecken Frauen dann nach …«
    »… Sardinen. Ja, kenn ich.«
    Sie gingen hinüber zu Nummer siebenundsechzig. Der Rasen war
so kurz geschoren, als sei er mit einer Nagelschere geschnitten worden.
Keine Kinderspielsachen im Vorgarten, stattdessen thronte dort ein
gusseisernes Vogelbad. Die Vorhänge zuckten, als sie näher kamen.
    »Detective Chief Inspector Lapslie«, stellte er sich dem
großen, weißhaarigen Mann vor, der die Tür öffnete. »Und dies ist
Detective Sergeant Bradbury.«
    Der Mann nickte. Er trug ordentlich gebügelte weite Hosen und
ein blaues Hemd. Die Haut seines Halses war zu Falten erschlafft. »Geht
es um die Überwachungskameras? Lange genug haben Sie ja gebraucht.«
    »Nein, Sir, es geht nicht um die Überwachungskameras. Wir
stellen Nachforschungen über Violet Chambers an. Haben Sie sie gekannt?«
    »Violet?« Er blickte überrascht drein. »Ja, natürlich. Sie hat
gegenüber gewohnt.« Er rief über die Schulter nach hinten: »Jean, stell
den Wasserkessel an, wir haben Besuch.« Und fragte, sich wieder
umwendend: »Wie wär's mit 'ner Tasse Tee? Oder Kaffee? Ich weiß, Sie
sind im Dienst, also biete ich Ihnen keinen Sherry an. Mein Name ist
übrigens Halloran. David Halloran.«
    »Eine Tasse Tee wäre höchst willkommen.« Lapslie folgte
Halloran in die Diele und fragte sich, ob wohl noch irgendjemand unter
siebzig Sherry trank. Emma folgte ihnen.
    Mrs. Halloran stand im Wohnzimmer, das von den Erkerfenstern
an der Straßenfront bis zu einem Wintergarten an der Rückseite des
Hauses reichte. Ein Regal ohne Rückenwand stand quer im Raum und
unterteilte ihn optisch in zwei Hälften. Ein Sofa und zwei Armsessel,
mit geblümtem Stoff bezogen, waren in L-Form vor einem ziemlich alten
Fernseher arrangiert. Die Wände waren mit militärischen Abzeichen und
Bildern von Männern in Uniform dekoriert. »Habe ich richtig gehört, Sie
sagten, Sie seien von der Polizei?«, fragte sie.
    »Sie fragen nach Violet«, erklärte ihr

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