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Kaltes Gift

Kaltes Gift

Titel: Kaltes Gift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nigel McCrery
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reduzierte. ›Büro‹ war eigentlich eine etwas falsche
Bezeichnung – es war mehr ein Teil des sogenannten
Büro-Grundrisses, abgegrenzt durch Mattglasscheiben –, aber es
war immerhin etwas. Als er draußen ankam, schaute die Sekretärin des
Superintendent von ihrem Schreibtisch auf. Sie krauste die Stirn. »Ich
habe versucht, Sie zu erreichen«, sagte sie.
    »Tut mir leid«, brummelte er. »Ich bin aufgehalten worden.«
    »Er hat jetzt jemanden bei sich, aber er wird gleich frei
sein.«
    Lapslie trat von ihrem Schreibtisch zu einer Anschlagtafel in
der Nähe. Während er wartete, überflog er Gewerkschaftsmitteilungen,
Feueralarmbestimmungen und Anzeigen, die Zimmer zur Miete oder
Wäschedienste anboten. So viel Information heutzutage, dachte er.
Überall so viele Anzeigen zum Lesen. Wie konnte ein gewöhnlicher Mensch
all diese Informationen im Kopf behalten, ohne verrückt zu werden?
    Ein plötzlicher Anstieg des Geräuschpegels ließ ihn den Kopf
wenden. Superintendent Rouse stand in der Tür seines Büros und
verabschiedete zwei Männer. Beide waren Ende dreißig, hatten kurzes
Haar und trugen schwarze Anzüge mit feinen Nadelstreifen. Der
Superintendent war wie üblich in voller Uniform.
    Die beiden Männer gingen, und Rouse beugte sich zu einer
kurzen Unterredung zu seiner Sekretärin hinunter. Als die beiden Männer
an Lapslie vorübergingen, drehte einer von ihnen kurz den Kopf. Lapslie
blickte ebenfalls zur Seite, und ihre Blicke trafen sich mit einem
merklichen Ruck. Der Mann hob unwillkürlich leicht die Augenbrauen, als
ob er Lapslie erkannte. Dann war er fort, und Lapslie blieb zurück,
während sein Interesse in die eine Richtung strebte und sein Körper in
die andere.
    Als er sich dorthin wandte, wohin sein Körper wollte, war der
Superintendent bereits wieder in seinem Büro. Seine Sekretärin winkte
Lapslie hinein: »Zehn Minuten, dann muss er los, zu einer anderen
Besprechung.«
    Er klopfte und trat ein. Superintendent Rouse hatte sich an
seinen Schreibtisch gesetzt und ordnete einen Stoß Papiere. Der
Schreibtisch stand so, dass das Bürofenster rechts von ihm war, und das
Licht tauchte eine Seite seines Gesichts in ein schmeichelndes
Leuchten, zeichnete die andere als hartes, schroffes Relief. Sein
Gesicht war früher einmal eindrucksvoll, wenn auch unfreundlich
gewesen; ein junger DS hatte einmal gesagt, es sähe aus wie eine
Werkzeugtasche voller Schraubenschlüssel. Er war ein paar Jahre älter
als Lapslie, ein schlachterprobter Veteran der Polizeipolitik und der
internen Winkelzüge, der sich ungeachtet aller Vorurteile oder
Vetternwirtschaft in der Hierarchie auf eine ziemlich einflussreiche
Position hochgearbeitet hatte.
    Obwohl er sein Chef war und offensichtlich auch schon ein Auge
auf die nächste Sprosse der Karriereleiter gerichtet hatte, mochte
Lapslie ihn.
    »Mark, danke, dass Sie vorbeischauen.«
    »Ich höre, Sie wollen in Sachen Violet Chambers auf den
neuesten Stand gebracht werden, Sir?«
    Rouse blickte auf den Stapel Notizen hinunter, die vor ihm
lagen. Sie waren handgeschrieben. Lapslie hatte oft gesehen, wie Rouse
sich bei Sitzungen solche Notizen machte, ein stichwortartiges
Mitschreiben dessen, was gesagt wurde, um sich später besser erinnern
zu können, eine Kreuzung aus persönlichem Memorandum und innerem
Monolog. Hatte er diese Notizen während der Unterredung gemacht, die
soeben zu Ende gegangen war? Und wenn ja, warum griff er jetzt darauf
zurück?
    »Das ist die Frau, deren Leiche im Wald gefunden worden ist?
Ziemlich verwest?«
    »Ja, das ist sie.«
    »Hat die Gerichtsmedizin die Todesursache feststellen können?«
    »Das ist ungewiss«, erwiderte Lapslie, trat ans Fenster und
schaute hinaus, auf die eng stehenden Bürogebäude ringsum und seitlich
davon in der Ferne auf ein erhöhtes Stück Straße zwischen zwei
Gebäuden. »Sie wurde vergiftet, hat aber auch einen Schlag auf den
Hinterkopf bekommen. Es wird sich unmöglich genau feststellen lassen,
welches davon die Todesursache war.«
    »Aber Mord war es?«
    »Entweder das oder der aufwendigste Selbstmord, den ich je
gesehen habe.«
    Sein Blick fiel auf den Parkplatz unter ihm. Er sah seinen
eigenen Wagen, abgestellt an der einen Seite. Dort unten standen zu
viele Mondeos, er konnte nicht sagen, wo Emma ihren geparkt hatte. Er
konnte hören, wie sich der Superintendent während des Gesprächs Notizen
machte.
    »Irgendwelche Verdächtigen?«
    »Bisher nicht. Wir sind gerade mit der Untersuchung

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