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Kaltes Gift

Kaltes Gift

Titel: Kaltes Gift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nigel McCrery
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sei.
    Schließlich schob sie das Handy in die Tasche zurück. »Man hat
mich gebeten, Ihnen auszurichten«, begann sie, »dass Sie, indem Sie
diesem Fall Vorrang vor dem übrigen Arbeitspensum des CSI einräumen,
möglicherweise die Ermittlungen bei zwei weiteren suspekten Todesfällen
erheblich gefährden und dass Sie innerhalb der nächsten Stunde mit
Anrufen vom DCS rechnen können.«
    »So ist das Leben«, seufzte Lapslie. »Eine Wahl zwischen
verschiedenen Möglichkeiten, und jede hat unglückliche Konsequenzen.
Man muss einfach tun, was einem zu gegebener Zeit als das Beste
erscheint. Wann werden die CSI-Leute bei dem Wagen sein?«
    »Die waren schon zu einem anderen Tatort unterwegs. Sie drehen
jetzt um und fahren nach Colchester. Dieser kleine irische Kläffer
meinte, sie wären wohl in einer Stunde da, das ist etwa so lange, wie
wir auch brauchen, dort hinzukommen.«
    Die Straßen waren ziemlich leer, Emma Bradbury schien nicht
zum Reden aufgelegt, und Lapslie ließ seine Gedanken schweifen.
    Er spann die Hypothese aus, dass jemand, den es noch zu
identifizieren galt, Violet Chambers getötet und dann ihre Identität
angenommen, Postkarten und Weihnachtsgrüße versandt hatte, um die Leute
glauben zu machen, Violet sei noch am Leben, während er – oder
wahrscheinlich sie – plünderte, was Violet an Geld besessen
hatte, und das Haus über einen Makler vermietete. Bradburys
Ermittlungen zufolge floss die Miete, die der Makler kassierte, auf ein
Sonderkonto unter Violets Namen, von dem wiederum von verschiedenen
Orten aus gelegentlich Abhebungen erfolgt waren. Doch soweit Lapslie es
beurteilen konnte, reichte das Geld nicht aus, um das Risiko des Mordes
an Violet Chambers aufzuwiegen. Vielleicht bei einem Verbrechen aus
Leidenschaft oder bei einem Mord aus einer spontanen Überreaktion
heraus, aber dies hier trug doch den Stempel sorgfältiger Planung und
Durchführung. Wozu also der ganze Aufwand für so wenig Geld?
    Lapslie schauderte. Irgendwie steckte hinter diesem Verbrechen
mehr, als sie bisher entdeckt hatten. Er hatte das deutliche Gefühl,
dass die Leiche im Wald, das vermietete Haus und der verlassene Wagen
nur die Spitze des Eisbergs waren. Bei diesem Fall lag noch weit mehr
unter der Oberfläche verborgen. Und wie bei einem Eisberg würde es kalt
und hart und sehr unerfreulich sein.
    Sie trafen weniger als eine Stunde nachdem sie losgefahren
waren, in Colchester ein. Bradbury lotste Lapslie durch enge
Straßenschluchten aus Häuserwänden, dann wieder durch breitere,
modernere Straßen, flankiert von großen Kaufhäusern, bis sie an die
Straße kamen, in der der Wagen abgestellt worden war.
    Das Team von der Spurensicherung war schon da. Ihr
Einsatzwagen stand dicht neben dem Volvo, und sie waren bereits dabei,
das gelbe Plastikzelt aufzustellen, das ihre Arbeit schützen sollte,
obwohl Lapslie sehr wohl wusste, dass während all der Zeit, die der
Wagen hier verbracht hatte, die meisten Spuren wahrscheinlich vom Wind
fortgeweht oder vom Regen davongespült worden waren.
    Er schaute sich um, wollte sich einen Eindruck von dem Ort
verschaffen. Sie befanden sich in einer breiten Straße, die in
beiderlei Richtung in einer Kurve verschwand. An einer Seite waren
Geschäfte: ein Blumengeschäft, eine Wäscherei, ein Buchladen und ein
paar nicht identifizierbare Ladenfronten, die geschlossen oder mit
Brettern vernagelt waren. Ein paar Geschäfte verkauften völlig andere
Dinge, als das Firmenschild darüber auswies. Offensichtlich war dies
eine Gegend, wo Eigentum schneller von Hand zu Hand ging, als die
Schilder beim Auswechseln Schritt halten konnten. Über den Läden gab es
zwei Stockwerke mit Mietwohnungen: die Vorhänge selbst mitten am
Vormittag geschlossen, die Fenster vor Staub und Dreck starrend.
Überlaufrohre ragten in regelmäßigen Abständen aus den Wohnungen wie
industrielle Wasserspeier. Unter den meisten der Rohre zeichneten sich
grün bemooste Dreiecke ab und zeigten an, wo Wasser jahrelang
unaufhörlich herausgetropft oder -geflossen war. Zeitungspapier,
vergilbt und zerknittert, flog den Bürgersteig entlang und sammelte
sich in Ecken. Kein Mensch weit und breit, und in der Luft eine stumpfe
Leblosigkeit, als würde jeder Ton von ihr aufgesogen, ehe er sich weit
von seiner Quelle entfernen konnte. Selbst das Tageslicht schien grau
und müde. Es fühlte sich an, als sei das Ende der Welt hier vorzeitig
gekommen, und sie sei nicht mit einem Knall verendet, sondern mit

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