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Kaltes Gift

Kaltes Gift

Titel: Kaltes Gift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nigel McCrery
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Haus
bezahlen.
    Neben dem Haus dann eine Scheune: groß, lang, mit einem
Schieferdach. Der Eingang war mit einer Neuerung versehen worden, einer
Flügeltür aus Holz und Glas, die jetzt weit offen stand, um drinnen für
frische Luft zu sorgen.
    Daisy ging eifrig darauf zu und streckte den Kopf um den
Türpfosten. »Hallo?«
    »Hallo. Wer ist da?«
    Daisy trat in die Scheune. Drinnen war es überraschend hell
und luftig. Sie war mit beträchtlichem Aufwand gestrichen und durch
Trennwände unterteilt worden, an denen Gemälde unterschiedlicher
Stilrichtungen hingen. Überall standen auf Podesten Keramikgefäße und
Skulpturen. Der Boden war mit Korkplatten ausgelegt. Eunice Coleman saß
hinter einem L-förmigen Tisch an der Tür. Rechts neben ihr stand eine
Ladenkasse. Vor ihr lag ein offenes Buch mit Schwarzweißfotografien, in
dem sie geblättert hatte.
    »Ich bin's, Daisy. Daisy Wilson.«
    Wiedererkennen ließ Eunices Gesicht aufleuchten. Was auch
geschah, dachte Daisy beim Eintreten, sie würde nie Probleme damit
haben, zu wissen, was in Eunice vorging. Jede Emotion schien sich auf
ihrem Gesicht und in ihrer Stimme abzuzeichnen, noch ehe sie sich
dessen bewusst war.
    »Die Frau vom Strand! Ich habe schon befürchtet, Sie wären
bloß höflich gewesen und würden gar nicht kommen.«
    »Das würde ich nie tun«, verkündete Daisy tugendhaft. »Wenn
ich sage, ich tue etwas, dann tue ich es auch, egal was kommt.«
    »Möchten Sie einen Kaffee?«
    Eunice hantierte geschäftig in einem kleinen Bereich hinten in
der Scheune, wo vier runde Tische und eine Handvoll Stühle sich neben
einer Durchreiche drängten, hinter der Daisy eine Kaffeemaschine und
ein paar Kuchen unter transparenten Plexiglashauben ausmachen konnte.
Sie blickte sich um, während Eunice den Kaffee bereitete. Der äußere
Schein trog nicht: Die Gemälde waren schlecht gehängt, und die
Skulpturen waren von Staub bedeckt. Und in den Ecken türmten sich
Zeitungsstapel und Kartons voller Krimskrams. Eunice gehörte
anscheinend zu den Leuten, die Aufräumen nicht bloß für Schwerarbeit
hielten, sondern auch für äußerst schwierig, etwa in dem Sinne, wie die
Lösung eines Kreuzworträtsels schwierig ist.
    Die beiden setzten sich an einen der Tische und unterhielten
sich. Oder vielmehr, Eunice redete, und Daisy hörte abwechselnd zu und
ließ ihre Gedanken schweifen.
    Anscheinend führte Eunice ein sehr freies und unbeschwertes
Leben. Als Tochter einer wohlhabenden Familie aus den Home Counties
hatte sie in jungen Jahren am St. Martins College in London studiert
und während der folgenden zwanzig Jahre in verschiedenen Kommunen und
Gemeinschaften gelebt, hatte sich in Beziehungen hinein- und
heraustrudeln lassen, sowohl mit Männern als auch mit Frauen, war
einigen Künstlern Muse gewesen, anderen Modell, hatte weiche Drogen
genommen und insgesamt genau das müßige und unproduktive Leben geführt,
das Daisy so von Grund auf missbilligte, obwohl sie das Eunice nicht
sagte. Beim Tod ihres Vaters hatte Eunice eine ganze Menge Geld geerbt,
aber anstatt in ihr Elternhaus (oder die ›Villa‹, wie sie es unbedacht
einmal nannte) zurückzukehren, sorgte sie dafür, dass es verkauft
wurde, und kaufte sich dann mit einem ihrer vielen Liebhaber ein Haus
am Meer in der Gegend von Tendring, in der Absicht, in ländlicher
Idylle den Lebensstil einer Bäuerin zu genießen. Das Bauerndasein
jedoch erwies sich als harte Arbeit. Ihr Liebhaber machte sich davon,
und sie blieb. Seither waren Männer gekommen und gegangen, und
diejenigen, die praktisch veranlagt waren, halfen ihr, das Haus und die
Scheune einigermaßen instand zu setzen, es in ein Kunst- und
Antiquitäten-Center umzugestalten, von dem sie fest glaubte, es werde
regelmäßige Besucher anlocken und in absehbarer Zeit zu einem
Spiegelbild jener Künstlergemeinschaften werden, denen sie selbst
einmal angehört hatte, als sie viel jünger – und viel
schöner – gewesen war. Und jetzt war sie allein, abgesehen von
gelegentlich vorbeikommenden Touristen.
    Als Daisy später fortging, hatte sie Eunice angeboten, ihr zu
helfen, das Kunst- und Antiquitäten-Center zu einem gutgehenden
Geschäft zu machen. Außerdem hatte sie einen giftigen Hass auf Jasper
entwickelt, den Hund, der genauso wenig Verstand zu haben schien wie
seine Herrin, aber ohne deren anrührende Gefühlsaufwallungen.
    Daisy kam am nächsten Tag wieder und fing an, Abfall und
Plunder aus der Scheune zu räumen. Die meisten der Kartons waren

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