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Kaltes Grab

Titel: Kaltes Grab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Booth
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Leidenschaft gekämpft, verstehen Sie? Sie wussten, wen es zu bekämpfen galt. Am Ende kamen Zygmunt und Klemens nach England, um in der britischen Luftwaffe zu dienen. Bei den britischen Fliegern hießen sie nur ›die schrecklichen Zwillinge‹, weil sie ständig zusammensteckten und sich angeblich so ähnlich sahen.«
    »War das wirklich so?«
    »Eigentlich nicht.«
    »Haben Sie ein Foto von den beiden?«
    »Mein Vater hat welche. Sie sind ihm heilig, aber ich glaube nicht, dass es ihm etwas ausmacht, wenn ich sie Ihnen zeige.«
    Lukasz war nicht lange weg. Doch als er wieder auftauchte, sah er beinahe verstohlen aus, als hätte er etwas Verbotenes getan.
    »Das hier wurde aufgenommen, kurz nachdem mein Vater und Klemens Wach nach England kamen. Sie waren in einem Hotel in Brighton untergebracht. Ich glaube, dort ist es ihnen wenigstens eine Zeit lang gut gegangen.«
    »Und wer sind die Mädchen?«
    »Keine Ahnung. Laut meinem Vater gab es immer jede Menge Mädchen. Jede Menge Mädchen für einen gut aussehenden jungen Mann in Pilotenuniform. Außerdem hatten die polnischen Flieger etwas Exotisches an sich, vermute ich. Warum fragen Sie?«
    »Ich dachte nur, eine davon könnte Ihre Mutter sein. Es war doch eine Kriegsromanze, oder?«
    »Nein, nein. Die beiden haben sich erst nach dem Krieg kennen gelernt.«
    »Verstehe.«
    In Coopers Augen war die Uniform fast das Einzige, was Lukasz und Wach wie Zwillinge aussehen ließ. Fast. Und vielleicht die kecke Art, wie sie die Mützen aufgesetzt hatten und die Schultern strafften. Außerdem besaßen beide leicht slawisch geschnittene Augen. Zygmunt Lukasz war größer und kräftiger gebaut und wirkte insgesamt erwachsener. Auf dem Bild hatte er den einen Arm um ein Mädchen mit dunklem, dauergewelltem Haar gelegt, der andere lag über den Schultern seines schmächtigeren Cousins Klemens. Er sah weniger wie Klemens’ Zwillingsbruder, sondern eher wie ein Onkel aus oder zumindest wie ein wesentlich älterer Bruder.
    »Laut Untersuchungsbericht erlag Klemens Wach mehreren schweren Verletzungen. Ausführlicher wurden sie nicht beschrieben.«
    Peter Lukasz zuckte die Achseln. »Mein Vater hat nie über die Einzelheiten des Absturzes gesprochen. Nach allem, was man so hört, muss es schrecklich gewesen sein. Einige der britischen Besatzungsmitglieder sind wohl buchstäblich zerstückelt worden. Sie wurden durch den Rahmen des Flugzeugs geschleudert. Zwei andere, die in den Trümmern eingeklemmt waren, sind verbrannt. McTeague hätte eine Menge Fragen beantworten müssen. Er kann von Glück sagen, dass man ihn nie gefunden hat.«
    »Glauben Sie, dass McTeague tot ist, Mr Lukasz?«
    »Keine Ahnung. Ich vermute, er ist so schnell wie möglich nach Kanada zurückgegangen. Er hatte drüben eine Frau und ein neugeborenes Kind. Offenbar hat er den anderen ständig von den beiden erzählt und gemeint, er könne es kaum erwarten, nach Hause zu kommen. Einmal hat mein Vater sogar damit angefangen, er wolle nach Kanada fliegen und ihn suchen. Aber ich glaube, letztendlich hat er es vorgezogen, seinen Kummer und seine Erinnerungen nicht anzutasten. Sein Hass auf Danny McTeague war wie ein Talisman für ihn; dadurch hat er die Erinnerung an Klemens lebendig erhalten, verstehen Sie? Hätte er gewusst, dass McTeague irgendwo friedlich im Schlaf gestorben ist, hätte er seinen Talisman verloren. Es wäre niemand mehr da gewesen, den er hätte hassen können. Und, viel schlimmer noch, er hätte endgültig nichts mehr für Klemens tun können. Seine Erinnerungen wären einfach verblasst. Verstehen Sie, was ich damit sagen will?«
    »Ja, ich glaube schon.«
    Lukasz nickte. »Ich habe im Lauf der Jahre oft darüber nachgedacht. Ich glaube, mein Vater und ich sind einander sehr ähnlich. Unter den gleichen Umständen hätte ich wahrscheinlich ganz ähnlich reagiert. An Hass und dem Verlangen nach Rache kann man sich festhalten. Es sind verlässliche Fixpunkte, an denen man sich orientieren und sein Leben ausrichten kann.«
    »Sie meinen, es ist eine Art Lebenszweck?«
    »Wenn Sie so wollen. Aber wie ich schon sagte, wenn mein Vater McTeague tatsächlich wieder gesehen und festgestellt hätte, dass er auch nur ein menschliches Wesen ist, wäre das ganze Kartenhaus in sich zusammengefallen. Natürlich war McTeague auch nur ein Mensch. Er hat aus Angst einen Fehler gemacht und seine Kameraden im Stich gelassen. Aber für meinen Vater war es besser, ihn als Ungeheuer zu sehen. Das war das Einzige, das

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