Kaltes Grab
erlegen waren und ihre langweiligen Ehefrauen verlassen hatten, und es gab die Teenager, die schon früh in die Midlifecrisis gestürzt waren und sich von der wirklichen Welt verabschiedet hatten. Dazu jede Menge andere Verschwundene und Vermisste.
Leider schien keiner von ihnen der Besitzer des teuren Anzuges und der teuren Schuhe zu sein. Am merkwürdigsten war, dass eine Haus-zu-Haus-Befragung am Woodland Crescent ergeben hatte, dass der Mann, den Grace Lukasz beschrieben hatte, nur bei ihr und bei niemandem sonst geklingelt hatte.
»Wir müssen Mrs Lukasz herbringen, damit sie eine offizielle Aussage macht«, sagte Diane Fry, als sie von der Unterredung mit ihren Vorgesetzten zurückkam. »Es muss irgendwo einen Hinweis geben, wer dieser Mann war und was er am Woodland Crescent gewollt hat.«
Die Nachforschungen im Schneemann-Fall und die Suche nach Eddie Kemps Kumpels bei dem tätlichen Angriff nahmen so gut wie alle zur Verfügung stehenden Kräfte der Division E in Anspruch. Dabei hatte das vermisste Baby im Grunde oberste Priorität. Unterdessen stapelten sich ungelöste Fälle und ergebnislose Ermittlungen auf den Schreibtischen, und die Staatsanwaltschaft machte ihnen wegen der verspäteten Weitergabe gerichtswichtiger Akten die Hölle heiß.
Ben Cooper war an diesem Morgen mit weiteren Ermittlungen im Fall Schneemann beschäftigt. Er musste etliche Adressen in Edendale aufsuchen und zum Snake Inn hinausfahren, um sich noch einmal mit dem Personal dort zu unterhalten.
»Übrigens glaube ich, dass Eddie Kemp noch einmal zur Vernehmung herbestellt wird«, sagte Fry.
»Hat die Spurensicherung etwas in seinem Wagen gefunden?«, fragte Cooper.
»Noch nichts Eindeutiges. Aber wir müssen unbedingt jemanden vernehmen. Ich weiß nicht genau, wer das zu entscheiden hat. Vielleicht Mr Tailby, vielleicht auch Mr Kessen, wo wir gerade von zu vielen Häuptlingen und zu wenig Indianern reden.«
»Kriegen wir denn nun Unterstützung oder nicht?«
»Das kann ich nur hoffen. Aber wenn es darum geht, wer das organisiert …«
»Hab schon verstanden.«
Fry sah zu, wie Cooper in seinen Akten wühlte. »Hast du schon eine Wohnung gefunden, Ben?«
»Ehrlich gesagt, ja. Ich habe mir gestern Abend eine angeschaut. Eine Mietwohnung in der Welbeck Street, ziemlich zentral gelegen. Sie gehört Lawrence Daleys Tante.«
»Wessen Tante?«
»Der Tante von Lawrence Daley, dem Inhaber von Eden Valley Books. Du weißt schon, dort, wo Marie Tennent ihre Bücher gekauft hat.«
»Ach ja, dann hast du also gleich zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen, als du dort warst?«
»Eigentlich nicht.«
»Jetzt fallt es mir wieder ein … du hast auch gleich ein paar Bücher gekauft.«
»Das hat keine zwei Minuten gedauert.«
»Die kannst du bei deinen Befragungen gleich wieder hereinholen, wir haben nämlich alle Hände voll zu tun.«
»Dir ist aber klar, dass der Bericht über Marie Tennent noch aussteht?«, fragte er.
»Mrs Van Doon ist bis jetzt noch nicht dazu gekommen, also dauert es noch ein paar Tage, bis wir ihren Untersuchungsbericht bekommen. Alles eine Frage der Priorität. Wir müssen mit dem Schneemann weiterkommen und endlich herausfinden, wer er ist. Die tote Frau kann warten.«
»Dann war das mit den Überresten also falscher Alarm? Es war nicht Chloe?«
»Nein. Das Kind, das gefunden wurde, war schon lange tot.«
»Armes Würmchen. Was glaubst du, was da los war? Eine ungewollte Schwangerschaft? Eine Mutter im Teenager-Alter?«
»Von wegen Teenager, heutzutage kriegen schon Zehnjährige Babys.«
»Aber die Kleidung …«
»Dazu kann uns bestimmt die Spurensicherung mehr sagen«, erwiderte Fry. »Aber die Kleidungsstücke waren ganz neu. Wir haben es gestern Abend bekannt gegeben, und seitdem werden wir mit Anrufen über vermisste Babys überschüttet.«
»Aber vermutlich hat sich niemand gemeldet, der sich um Chloe kümmert?«
»Nein.«
»Wenn sich herausstellt, dass die Kleider Maries Baby gehört haben …«
»Wir sind immer noch sehr besorgt wegen Chloe. Gestern Abend haben wir Streifenbeamte sämtliche Nachbarn aufsuchen lassen. Niemand weiß etwas über das Baby. Heute wird Maries Haus noch einmal durchsucht, nur für alle Fälle, und heute Vormittag kommt Maries Mutter. Sie wohnt in Falkirk und sagt, sie hätte ihre Tochter kurz nach Chloes Geburt zum letzten Mal gesehen. Marie wollte sie im Frühling in Schottland besuchen, aber seither haben sie nur telefoniert, sagt die Mutter. Vielleicht
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