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Kaltes Herz

Kaltes Herz

Titel: Kaltes Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Freise
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behandeln und nicht wie seine rauchenden und sauren Fisch hinunterschlingenden Kolleginnen aus den Eckkneipen, in denen sie sich nach den Vorstellungen trafen.
    «Dann will ich Sie zum Essen ausführen!»
    «Ich bin überhaupt nicht hungrig.»
    «Aber nach der ganzen Aufregung müssen Sie doch etwas essen. Sie müssen bei Kräften bleiben. Sie dürfen nicht vergessen, dass ich versprochen habe, Sie zu beschützen, und dazu gehört auch, dass ich für Ihr leibliches Wohl sorge.»
    Henriette zuckte resigniert die Achseln.
    «Wenn Sie durchaus darauf bestehen.»
    «Ich bestehe darauf.»
    Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht. Sie nahm seinen Arm, und gemeinsam gingen sie hinaus, um sich nach etwas Essbarem umzusehen.
    «Dort drüben», sagte Henriette und deutete auf ein Schützenzelt. Das bunt gemalte Schild über dem Eingang verkündete
Sing-Spiel-Halle
und
Restaurant
.
    «Dort gibt es nur Kohlrouladen und Buletten. Ich möchte Sie richtig ausführen! In ein Restaurant mit gepolsterten Stühlen und Tischdecken und mindestens drei Gängen.»
    Charlie freute sich, wieder den Klang von Henriettes Lachen zu hören. Es war schwer, ihn zu definieren, es war eine Mischung aus Glucksen und Schluckauf, es hatte etwas Atemloses und war zugleich leicht und mühelos. Er hatte noch nie zuvor einen Menschen auf diese Weise lachen gehört. Ein Tanz kam ihm in den Sinn, das war es, ihr Lachen war wie ein gutgelaunter Shuffle.
    «Sie klingen wie ein kleiner Junge, der vom guten Leben träumt», sagte sie.
    Sie konnte nicht ahnen, wie nah sie der Wahrheit damit kam.
    «Ich war einmal ein Gassenjunge», sagte Charlie zu seiner eigenen Überraschung. «Es ist lange her», setzte er hinzu, als er ihren Blick bemerkte. Sein Lächeln geriet etwas schief. «Man wird es wohl niemals ganz los.»
    «Ist das wahr?», fragte sie erschrocken.
    Charlie nickte.
    «Wie haben Sie es geschafft?»
    «Es ist eine lange Geschichte. Und eine traurige. Lassen Sie uns lieber die schönen Seiten des Lebens genießen. Wohin möchten Sie zum Essen gehen?»
    Sie schien unschlüssig.
    «Ich gehe nicht oft aus.»
    «Ich auch nicht», sagte Charlie.
    «Dann nehmen wir einfach … dort drüben ist ein Stand.» Sie zeigte auf eine der Buden. «Bitte!», setzte sie hinzu, als sie Charlies zweifelnden Blick bemerkte. «Ich habe noch nie an solch einer Bude gegessen.»
    «Wirklich nicht? Na gut, da drüben gibt es wenigstens Tische. Dann gehen wir dorthin.»
     
    Charlie bestellte zwei Portionen Hammelfleisch mit Äpfeln, Karotten und Brot und zwei Bier.
    Sie schwiegen, während sie warteten, und Charlie war froh, als ein Mädchen mit hochgekrempelten Ärmeln nach kurzer Zeit das Essen brachte. Charlie reichte Henriette ein sauberes Taschentuch.
    «Statt Serviette», sagte er, und sie lächelte.
    Charlie fühlte, dass sie einen entscheidenden Moment erreicht hatten. Sie waren zusammen gerannt, sie hatten sich geküsst und gestritten und wieder vertragen, er hatte ihr seine Liebe gestanden, und plötzlich liefen seine Gefühle zu einer Welle auf, die jeden Moment zu brechen drohte. Henriette war vollkommen anders als jedes andere Mädchen, das er je getroffen hatte, und noch immer wusste er nicht, warum. Er musste es wissen, er musste mir ihr zusammen sein, um es herauszufinden.
    «Hetti – darf ich Sie Hetti nennen?»
    Sie nickte, flüchtig lächelnd, probierte von ihrem Gemüse, rührte das Fleisch aber nicht an. Sie wirkte abwesend, mit ihren eigenen Gedanken beschäftigt.
    «Wissen Sie eigentlich, dass Sie mich mit einem Wort vernichten können?»
    Hetti blickte auf. «Was meinen Sie damit?»
    Es war nicht schwer gewesen, in dem Zelt über das Mädchen herzufallen. Doch jetzt die richtigen Worte zu finden schien ihm eine unlösbare Aufgabe zu sein.
    «Nur ein Wort von Ihnen, und mein Leben hat keinen Sinn mehr.»
    Sie wartete, Charlie musste weitersprechen, bevor er es nicht mehr wagte.
    «Hetti, Sie wissen, dass ich Sie sehr gut leiden kann.»
    «Ja.»
    «Und Sie wissen, dass ich hoffe, dass Sie mich ebenso mögen wie ich Sie.»
    Charlie hätte sich am liebsten auf die Zunge gebissen. Ging es denn noch umständlicher? Warum konnte er nicht einfach sagen, was er fühlte?
    «Ich mag Sie auch, Charlie», sagte sie und blickte auf ihren Teller. War sie ein wenig rot geworden?
    «Und ich frage mich, ich … wissen Sie, ich bin anders als andere Männer.»
    Warum lachte sie jetzt?
    «Ich nehme an, genau darum mag ich Sie.»
    Er nahm ihre Hände, hielt sie fest,

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