Kaltgeschminkt (German Edition)
sage ich lediglich: »Es wird Zeit, schlafen zu gehen. Teilen wir uns ein Taxi?«
Wir fahren mit ihrem Auto, beziehungsweise, ich fahre mit ihrem Auto, da sie schon zu viel getrunken hat; beziehungsweise – ich fahre ihr Auto, als sie so energisch die waghalsigsten Manöver quer durch die Innenstadt versucht, bis wir glücklicherweise von einem rasant entgegenkommenden Wagen gebremst werden.
»Einbahnstraße! Idiot!«, brüllt die schwarze Elfe und reckt doch recht damenhaft den Mittelfinger empor.
Ich senke rasch ihren Arm. »Ja, aber von seiner Seite aus«, beschwichtige ich sie.
»Das hätte ich doch zweimal geschafft!«
Im Lebens nicht, auch nicht mit einer Turborakete. Gut, dass ich geistesgegenwärtig genug bin, diesen Kommentar hinunterzuschlucken.
»Nein, aber das ist auch gleich. Wie wäre es wenn ich fahre?«, schlage ich so sanft wie möglich vor. Zum Glück stimmt sie zu und ich halte ihr die Tür auf beim Einsteigen. Während ich auf die Fahrerseite wechsle, überprüfe ich noch schnell den Hammer anstelle meines Herzens, der mir diesmal nicht aus Liebesgefühlen die Brust zerschlägt. Ein paar Minuten freunde ich mich mit dem deutschen Fahrsystem an, bringe uns aber dennoch sicherer zum Haus als Rachelle das vermocht hätte.
Sie navigiert mich leider nicht allzu offensichtlich zum Bestattungsunternehmen. Noch während ich sie frage, ob sie sehr müde ist, und sie verneinend den Kopf schüttelt, nickt sie weg. Ich verfahre mich zwei Mal, werde das Gefühl nicht los, dass ich die nächste Zeit am liebsten mit ihr allein verbringen will. Aber warum, zur Hölle? Natürlich möchte ich sie nicht einen Moment mehr aus den Augen lassen, aber die Realität ist nun mal ein hinterlistiges Miststück und ich weiß, in wie vielen Tränen das enden wird. Für uns beide. Denn mit Sicherheit werde ich es wieder verderben. Endlich sind wir da, Rachelle lässt sich von mir über den Pfad zum Haus tragen, versucht sich lange am Türschloss, bis ich es schließlich für sie öffne.
»Willst du mich noch mit in mein Zimmer begleiten?«
»Allein?«, frage ich idiotisch.
»Nein, du kannst gern alle deine perversen Freunde mitbringen. Sei doch bitte kein Dummkopf!«
Hoppla. Unerwarteter Zynismus. Ich stutze. Sie überrascht mich. Alarmiert rufe ich mich zur Vorsicht. Die Schöne und das Biest in einer gemeinsamen, wahrlich wunderschönen Hülle. Ich sehe in ihr kleines Puppengesicht. Oder treibt James ein Spielchen mit mir? Will er sie doch zurück haben? Ich schüttle den Kopf und fühle mich wie ein Feigling – wieder einmal. Man sieht es ihr nicht an, falls ich sie gekränkt habe.
»Schade«, zwitschert sie lapidar. »Weißt du, ich schätze es, wenn Männer sich artikulieren können und etwas auf ihre Kleidung geben. Es verleiht ihnen irgendetwas … Erotisches und Stolzes. Vor allem mag ich intelligente Männer. Die sind so verbreitet, wie ein Goth mit naturschwarzem Haar, Harris. Sehr selten, aber es kommt vor. Mein Zimmer ist übrigens am Ende des Flurs … Gute Nacht.«
Sie schwebt davon, ohne sich noch einmal umzudrehen. Auch ich ziehe mich zurück – mit hämmerndem Herzen. In dieser Nacht bleibe ich in meinem Zimmer. Mehrmals gehe ich zur Tür, öffne sie, und blicke zu ihrer hinüber. Es ist einfach zu sicher, dass ich sie enttäuschen werde. Schlaf finde ich keinen mehr. Im Dämmerlicht gleite ich dösend in den neuen Tag. James wird unzufrieden sein, wenn ich über seiner Leiche einschlafe. Mein Kopf ist voll von ihr und dieses Gefühl ängstigt mich. Jede Frau, mit der ich mich je eingelassen habe, ignoriert mich später, falls sie mir überhaupt auf meiner Straßenseite entgegenkommen. Nicht, dass ich ein schlechter Liebhaber bin, ich vergrabe meine Emotionen nur einfach gern unter meiner abweisenden Schicht aus Teilnahmslosigkeit.
»Manchmal versuche ich mir einzureden, dass ich ihnen auf ihrem letzten Gang nur helfen möchte«, sagt James, als wir uns am viel zu frühen Morgen über den Körper von Ruthger Salamander beugen. Wo er den Rest der Nacht verbracht hat, hat er von sich aus nicht angesprochen. »Aber ich glaube mir selbst nicht so ganz. Und dieses Mal, McLiod, will Mr. Secretary hier einfach nicht loslassen.«
Ich frage ihn, was er damit meint.
»Damit meine ich, dass es mir verflucht unheimlich ist, dass meine verdammte Arbeit jeden Morgen wieder zunichte gemacht ist! Die Fäden, mit denen ich ihn zugenäht hatte, liegen herausgezogen auf dem Boden. Die hineingebogenen Rippen
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