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Kaltgeschminkt (German Edition)

Kaltgeschminkt (German Edition)

Titel: Kaltgeschminkt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rona Walter
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stehen wie verfickte Äste aus ihm heraus. Das ist verdammt unheimlich! Jedenfalls für mich.«
    Das ist der Vorteil, wenn man bereits im Vorhof zur Hölle war: Man hat kaum noch Angst vor dieser Welt. Er betrachtet den Toten noch einen Moment. Rachelle betritt den Kellerraum, das Haar hochgesteckt, eine große Schürze umgebunden, die sie beinah verschlingt. Sie wirkt nicht klein, auch ohne ihre schwindelerregend hohen Absätze. Sie ist ungeschminkt, das Schwarz um ihre Augen verschwunden, nur die Lippen sind tatsächlich beinahe so rot, wie ich sie in Erinnerung habe.
    Sie nickt uns beiden zu. »Guten Morgen, Männer.«
    »Guten Morgen, mein Herz«, entgegnet James, doch es klingt wie leiser Spott.
    Ich warte ab, doch sie zeigt keinerlei Regung. Mir hingegen schenkt sie ein schüchternes Lächeln, welches ich erwidere. Dann beginnt sie, die Instrumente vorzubereiten.
    James sieht auf seine Uhr. »Ich muss mich noch um … etwas … kümmern. Lass dir Zeit, Alter. Wenn du fertig bist, erreichst du mich unter der Nummer.« Er steckt mir ein Kärtchen zu. Dann verlässt er uns und ich kremple die Ärmel hoch um Mr. Salamander endgültig in die andere Welt zu begleiten. Wenn schon nicht in eine bessere, so zumindest in eine Neue. Man sollte sich doch ab und an verändern.
    Während ich die Grobarbeit übernehme, die alten Nähte neu zusammenhefte, und Rachelle den Brustkorb mit Gewalt schließt, geht uns die Arbeit schweigend von der Hand. Oft treffen sich unsere Blicke über den inzwischen stark verfärbten Leichnam hinweg. Wir leisten Schwerstarbeit. Die Haut ist nahezu kaum mehr zu flicken. So arbeite ich mit einem speziellen Kleber aus Mr. Millers Tasche. Die in Beutel gepackten Organe sind bereits mit fäulniswidrigen Flüssigkeiten getränkt. Ich bevorzuge immer die in England gebräuchliche ›Garstinsche Flüssigkeit‹. Unter meiner genauen Anleitung mischt Rachelle diese für mich an, indem sie Glycerin, Arsen und Phenol im richtigen Verhältnis ansetzt. Zwischendurch betrachte ich immer wieder heimlich meine Gehilfin, die mir mit ihrer präzisen Arbeit hilft und dabei umwerfend aussieht. Zusätzlich zu James´ Prozedur spritze ich in die ausgetrockneten Venen Sucquet zu schwefelsaurer Tonerde mit ein wenig Aluminiumchlorid und klopfe die Lösung beinahe eine halbe Stunde in den rauen Körper. Abschließend pumpe ich ihn mit dem bereit gestellten atypischen Spezialelixier voll. Vielleicht ist es die Verbindung von James unglaublich sorgfältiger Thanatopraxie und der meinen, etwas spezielleren. Jedenfalls liegt der geizige, verlogene Kinderschänder zum Beginn der Nacht in erstaunlich gutem Zustand vor uns. Verschwitzt begutachten wir noch einmal alles genau, bevor wir ihn zurück in die Kühlung schieben.
    »Die Massage hat er wirklich nicht verdient«, flachst Rachelle über meine Anstrengung, die Muskeln und das Gewebe noch etwas aufzulockern. »Aber ich könnte eine gebrauchen. Du auch?«
    Knackend strecke ich mein Kreuz durch. »Wenn ich ein Rückgrat hätte, gern.«
    Sie lächelt liebreizend. »Ach, ich bin sicher, dass ich irgendwo eines finden kann.«
    Oben ist es still. Seltsam still. So, als ob jemand sich bemühen würde, jegliche Geräusche zu vermeiden. Ich teile meine Gedanken mit Rachelle, aber sie antwortete mir nicht. Ich gehe die Treppe nach oben zu der Tür neben meinem Zimmer, wo ich das von James weiß, klopfe leise bei ihm. Natürlich tut sich nichts, stattdessen spüre ich eine – ich nenne es einfach Präsenz. Und zwar nebenan. Obwohl ich nichts hören kann, klopfe ich auch an dieser Tür und lege mein Ohr dagegen. Stille. Dennoch ist jemand da. Oder etwas? Ein Haustier? Doch die alte Mutter im seltsamen Bademantel? Ich gebe auf und gehe wieder zu Rachelle nach unten, die mittlerweile telefoniert. Offensichtlich handelt es sich dabei um James, der uns zum Abendessen in ›Old Commercial Room‹ treffen will.
    Rachelle trägt einen atemberaubenden knielangen Rock im Pepitastil mit großer Schleife über dem Gesäß und eine schwarze hochgeschlossene Tüllbluse. Es kostet mich all meine Kräfte, sie nicht immerzu anzustarren. James hingegen nimmt kaum Notiz von ihr.
    »Wie ist es gelaufen?«, will er gleich zu Beginn wissen.
    »Ganz gut. Ich habe deine Fixierung und die Lösung mit meiner ergänzt. Das ›Elixier des Teufels‹ habe ich in der vorgeschriebenen Menge in den Blutkreislauf injiziert. Sehr viel Neues konnte ich allerdings nicht ausprobieren. Wenn es morgen wieder nicht

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