Kaltgeschminkt (German Edition)
Kissen zurück und der restlichen Nacht überließ. Und an ihrem Todestag. Reiner Zufall, dass ich sie dort zum letzten Mal besuchte. Sie hatte ohnehin Nerven wie Zuckerwatte. Angeblich starb sie sechsundzwanzigjährig an einem Herzleiden. Nun, so ersparte sie sich wenigstens die Pein als ewige Jungfer da zu stehen. Scheinbar ist Lady Merrily von ebenso schwachem Gemüt gewesen wie ihr Nervenkostüm fadenscheinig. Ich brauchte nicht mehr als vier Nächte, um sie langsam und viel zu schonend von ihrem überflüssigen Leben zu befreien.
Noch immer ist es still, ab und an knackt ein Ast, jedoch nicht unter der Last schwerer Stiefel. Die drei Bauarbeiter mit dem grünen Hulk und dem maskierten Kettensägenmann im Schlepptau sind Berserkern gleich hinter mir durch das Gehölz gepflügt, starke Männer mit breitem Kreuz und Oberarmen, die dem dicken Baumstamm neben mir alle Ehre gemacht hätten. Dennoch sind sie verschwunden wie dünner Nebel in der Morgendämmerung. Ich wage ein langes Ausatmen.
Zum allgemeinen Verständnis und da wir etwas Zeit zu haben scheinen: Ich bin nicht Opfer eines neuen Lebens und ich hole mir nicht alle Jahre einen neuen Körper. Ich schlafe nicht in Särgen und ich gehe äußerst gern in die Sonne, wenn es auch keinerlei Einfluss auf meine puderzuckerweiße Haut hat.
Ich bin keines dieser weitverbreiteten modernen Vampirmannequins. Abgesehen davon werde ich wirklich ungehalten, sollte man Parallelen aus dieser sinnfreien Art erotischen Darstellungsdranges zu meiner Familie ziehen. Ich bin keine Reinkarnation und kein Wesen aus einer euch fremden Welt. Meine Familie war zuerst da, wann auch immer der Mensch behauptet, die Welt bevölkert zu haben. Und wir haben nicht damit angefangen, aus Kieseln Küchengeräte zu formen. Wir sind die Vorfahren, die Mütter von allem. Mit Ausnahme von Prinz Bloodfiest. Er ist in der Tat ein Mann. Einer genügt auch vollkommen. Auf ihn zu achten, ist schon zeitraubend genug.
Langsam entspanne ich meine verhärteten Muskeln. Immerhin bin ich heil aus dieser Nacht herausgekommen. Dennoch werde ich nächstes Jahr eine Perücke tragen, und keine besonders billige. Ich bewundere jene, die gleich aus ihren ersten Fehlern lernen, so dass sie sie nicht wiederholen. Ich stelle fest, dass ich zu ihnen wohl nicht gehöre. Wenigsten konnte ich diesmal meinen Mantel vor den Ästen retten. Allzu viele Kleidungsstücke aus meiner Zeit habe ich leider nicht mehr. Langsam erhebe ich mich und beglückwünsche mich, dass ich keine Nierenentzündung bekommen kann. Hinter mir verhallen die letzten Rufe kindlicher Stimmen, die für Jack O´Lantern ein Lichtlein angezündet haben und von den Erwachsenen dafür als Dank eine Kleinigkeit, meist chemieverseuchten Zuckermist, bekommen. Oft erzählen die Älteren von den wundervollen magischen Feuerfeiern an Beltane … Nun, die Nacht erreicht langsam den Punkt an dem sie noch ein kleines bisschen dunkler wird, bevor sie die Welt einem neuen Morgen preisgibt. Die Sterne geben sich dann mehr Mühe und es wird kaum merklich kälter.
Ich sehe an meinen Armen hinab. Die Haut ist übersät von purpurnen Ornamenten, die die spitzen Äste auf ihnen hinterlassen haben. Doch sie haben sich bereits geschlossen. Sie heilen nun. Es wird einige Tage dauern, bis ich sie wieder unbedeckt zeigen kann. Und ein Quarkwickel schadet auch nie. Ich höre tiefere Stimmen zwischen den hellen Glocken der Kinder zu mir herüberschallen. Einem Moment denke ich erschrocken, es sind die Männer mit ihren kunststoffbewährten Waffen. Ich muss leise lachen. Fünf imposante Männer fürchten sich so sehr vor einer adeligen Erdolchten, über und über mit Kunstblut beschmiert, die ihre roten Augen belustigt durch die Menge blitzen lies in einer Nacht wie dieser, dass sie sie Hals über Kopf in den alten Wald jagen. Vorsichtig stehe ich auf, um nicht noch mehr Schaden an meinem Kleid und Umhang anzurichten. Zaghaft klopfe ich mich ab. Leichter Schmerz zieht durch meine Haut an Armen, Hals und Gesicht. Besonders schmerzhaft sind die kleinen Schnitte an den Fingern. Ich zucke unter dem Brennen auf meiner Haut zusammen. Das ist der Nachteil an Schottland: die Menschen hier in einem gewissen Alter sind noch zu viel mit Märchen von den todbringenden Feenwesen erschreckt worden. Ihnen kann man gleißende Augen nicht mehr als Kontaktlinsen vorgaukeln wie ihren abgebrühten Sprösslingen mit Vorliebe für Splattereffekte. Vielleicht sollten sich die Alten wieder mehr von
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