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Kaltgeschminkt (German Edition)

Kaltgeschminkt (German Edition)

Titel: Kaltgeschminkt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rona Walter
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ihrer traditionellen Unterhaltung entfernen, mein Leben zumindest wäre dann ein weitaus leichteres. Nicht, dass ich etwas gegen die guten alten Heimatschwänke habe. Die blutigen Schnitte sollten mich erinnern, dass ich vorsichtiger sein muss. Dass ich meine hellgrauen Kontaktlinsen für 25 Pfund im Quartal immer außerhalb meiner Wohnung tragen sollte. Und mein Haar wieder öfter blauschwarz färben sollte, auch wenn die Farbe wenige Haarwäschen später von ihnen abläuft wie Öl von Milch. Es ist Zeit weiter zu ziehen. Fort von Schottland und seinem Kleinbürgertum. Kurz gehe ich in mich. Doch wohin soll ich gehen? Mir erscheint Middlesbrough im nordenglischen Northumberland eine gute Alternative. Tief eintauchen in die giftigen Gefilde der Cleveland Hills erscheint mir eine gute Wahl zu sein. Diese fragwürdigen Kräuter habe ich schon immer geliebt. Vielleicht warten dort ein paar alte Bekannte auf mich. Es pocht schmerzhaft unter meiner Haut. Und mein Haar ist eine Katastrophe. Dennoch lächle ich. Das alles ist mir egal, denn wenige Tage später wird es wieder makellos sein. Und ich bin erneut davon gekommen. Nur meine Seele … sie wird noch ein klein wenig länger bluten, fürchte ich.
    Sie haben mich eingeholt. Sie umstellen mich und nähern sich langsam und … zögerlich? Einer von ihnen kommt mit einem großen Schritt auf mich zu und das letzte was er je sehen wird, ist ein zweifaches Aufblitzen. Einmal in Höhe seiner Hüfte und einmal dicht vor seinem Gesicht, welches er nicht einmal vor Angst oder wenigstens Unverständnis verzerren kann. Noch ehe mein Skalpell seinen Wanst durchbohrt, reiße ich ihm mit meinen Zähnen ein Loch in den Hals. Er steht stocksteif, kann wahrscheinlich nicht zuordnen, was da soeben passiert ist. Auch seine Freunde sind schlauer als angenommen und scheinen eingefroren zu sein. Ihre Gesichter sind beinahe so weiß wie meines. Ich begutachte die Stelle an seinem Hals, die langsam zu bluten beginnt. Ich erkenne die beiden leicht schiefstehenden Zähne unten links und den abgebrochenen Zahn an meinem Oberkiefer. Ich sollte sie bei Zeiten einmal richten lassen. Könnte dumm ausgehen, falls doch einmal ein Polizist … naja, eher unwahrscheinlich. Erneut senke ich meinen Mund auf die Wunde, die inzwischen verführerisch vor heiß sprudelndem Blut überläuft. In der kalten Nacht sehe ich kleine Dampfwölkchen, wenn ich genau hinsehe. Ich umschließe mit meinen Zähnen noch einmal die Wunde und fahre mit einem kurzen heftigen Stoß die kleinen Zähne aus, die meine vorderen Beißerchen einrahmen. Alle vier davon senken sich einige Finger breit in das Fleisch. Ich sehe nach unten. Die Blumen am Griff meines Skalpells scheinen mit meiner neu aufflammenden Kraft zu erblühen. Ein dunkles Rinnsal fließt bereits durch die lange schmale Kerbe den Griff entlang. Ich muss mich beeilen, wenn das ganze Zeug nicht den Waldboden düngen soll. Der Kerl schwitzt und ich finde, er sollte sein Aftershave überdenken. Oder halt – lohnt wohl eher nicht mehr. Ich Dummerchen. Hoffentlich haben seine Freunde mehr Geschmack.
    Sie schlägt die Hände vor das Gesicht, schüttelt den Kopf. Rabenschwarze Strähnen verdecken ihr Gesicht, ihre gekrümmten Finger. Ein Teil von mir will sie trösten, sie in die Arme nehmen und festhalten. Der andere Teil möchte sie schütteln, sie fragen, warum sie mir das antut. Doch, was genau tut sie mir an? Was hätte ich schon geantwortet, hätte sie mich gefragt, ob es mir etwas ausmacht mit einer Blutfee zusammen zu sein. Sicher, Liebling? Gar keine große Sache für mich? Wenn du Hunger hast, du weißt ja wo alles ist? Bleischweren Herzens beschließe ich, ihr vorerst noch keine Gnade zu gewähren und zaubere drei Fotos aus meiner Sakkotasche, die ich ihr hinhalte. Sie nimmt sie zögernd entgegen. Kurz zuvor war ich einer Ohnmacht nahe und wunderte mich, warum mich nach all diesen Erlebnissen in den letzten drei Tagen überhaupt noch etwas aus den Schuhen werfen kann. Es scheint, als sei mein Soll an grotesken Offenbarungen bereits bis zum Rand gefüllt und läuft gerade mit großem Getöse über. Denn jedes der Bilder, welche ich zwischen den Seiten der ausführlichen Beschreibungen über Blutfeen gefunden habe, zeigt Rachelle vor einigen Jahren. Stutzig machte mich nicht das, welches vor vier Jahren in Edinburgh aufgenommen wurde und sie strahlend ihr Abschlusszeugnis der Bestatterschule emporhält. Auch jenes nicht, auf dem sie zwei Jahre zuvor in der

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