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Kaltgestellt

Kaltgestellt

Titel: Kaltgestellt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Forbes
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noch Ihren Zug. Alles Gute, und möge Gott Sie behüten.«
    Unter dem Torbogen blieb Paula stehen und warf noch einmal einen Blick zurück auf das schöne St. Ursanne, um es möglichst gut in Erinnerung zu behalten. Dann drehte sie sich entschlossen um und hastete hinter den anderen die Straße zum Bahnhof hinauf, die ihr jetzt viel steiler als beim Hinuntergehen vorkam. Auf halbem Weg blieb Newman stehen und fluchte leise vor sich hin. »Was ist denn los?«, fragte Paula.
    »Ich habe meine Autofahrerhandschuhe auf dem Tisch im Hotel liegen gelassen.«
    »Etwa die Handschuhe, die ich Ihnen zu Weihnachten geschenkt habe?«
    »Genau die.«
    »Sie werden den Zug verpassen«, sagte Tweed. »Das werden wir ja sehen«, erwiderte Newman. »Sie wissen doch, daß ich beim letzten Stadtmarathon in London unter den ersten zehn war.« Newman rannte wie ein Hase den Berg hinab, während Paula die kurze Pause zu einem letzten Blick auf St. Ursanne nutzte. Bald würde die Sonne hinter den Bergen untergehen und die Ortschaft in der Dunkelheit versinken. Noch aber konnte sie im kristallklaren Abendlicht jede Einzelheit erkennen.
    »Wirklich ein traumhafter Ort«, sagte Paula, während sie sich neben Tweed wieder in Bewegung setzte. »Ein Urlaub hier muss wunderbar sein.«
    »Ich freue mich auch schon drauf«, pflichtete Tweed ihr bei. Newman hatte inzwischen schon den halben Weg zu dem alten Torturm zurückgelegt, als er über einen großen Stein stolperte und der Länge nach hinschlug. Die Wucht des Sturzes fing er größtenteils mit den Unterarmen ab, aber als er sich wieder aufrappelte, merkte er, daß ihm der rechte Knöchel wehtat. Er hockte sich an den Straßenrand, zog die Socke nach unten und untersuchte die schmerzende Stelle. Als er den Fuß bewegte erkannte er, daß der Knöchel weder gebrochen noch verstaucht war. Lediglich ein kleiner blauer Fleck war zu sehen. Newman stand auf und trat auf den verletzten Fuß. Er konnte ihn ohne Probleme belasten. Dann drehte er sich nach den anderen um. Sie waren schon an der Kurve vor dem Bahnhof und hatten seinen Sturz offenbar nicht bemerkt. Dankbar dafür, daß nichts Schlimmes passiert war, eilte Newman auf den Torbogen zu.
    Tapp. tapp. tapp.
    Juliette Leroy runzelte die Stirn, als sie das merkwürdige Geräusch hörte, das die Stufen vor dem Hoteleingang heraufkam. Sie ging an die Tür und öffnete. Ein Mann mit dunkler Brille und einem weißen Blindenstock stand bewegungslos auf der Schwelle.
    »Entschuldigen Sie, daß ich Sie störe«, sagte er auf Englisch mit einem starken amerikanischen Akzent, »aber ich bin sehr durstig. Ich habe einen langen Weg hinter mir. Würden Sie mir bitte ein Glas Wasser geben?«
    »Natürlich. Kommen Sie doch bitte herein.« Juliette war ein wenig enttäuscht, denn sie hatte gerade ein Paar Handschuhe auf dem Tisch gefunden und gehofft, daß einer ihrer neuen Freunde zurückkäme, um sie zu holen. Andererseits aber tat ihr der Blinde leid. Er sah so allein und verloren aus. Es mußte schrecklich sein, kein Augenlicht mehr zu haben. Tapp. tapp. tapp.
    Juliette drehte sich um und sah, wie ihr Besucher quer durch den Raum auf sie zukam und sich dabei mit dem Stock seinen Weg suchte. Sie hatte irgendwo einmal gelesen, daß Blinde ein sehr scharfes Gehör entwickeln. Er mußte wohl gehört haben, wie sie in die Küche ging. Juliette drehte ihrem Besucher den Rücken zu und nahm ein frisches Glas aus dem Schrank, das sie noch einmal sorgfältig mit einem sauberen Tuch abwischte. Juliette legte sehr großen Wert auf Sauberkeit und Hygiene. Nachdem sie das Glas noch einmal begutachtet hatte, füllte sie es zu drei Vierteln mit Wasser aus dem Wasserhahn. Leo hinter ihr handelte rasch. Er drehte seinen Blindenstock um und legte den halbrund gebogenen Griff um Juliettes Hals. Dann drückte er einen Knopf, und der Griff zog sich gnadenlos zu. Juliette ließ das Glas fallen und versuchte zu schreien, aber der elastische Griff des Blindenstocks schnürte ihr die Luft ab. Alles, was sie hervorbrachte, war ein leises, ersticktes Gurgeln. Mit beiden Händen versuchte sie, sich aus der Umklammerung zu befreien, aber Leo packte sie an den Schultern und riß sie nach hinten. Juliette geriet ins Schwanken und kippte um. Dabei schlug sie mit der Schläfe gegen eine Tischkante und sackte auf dem Boden zusammen. Leo beugte sich über die bewußtlos daliegende Frau und fühlte ihr den Puls. Als er feststellte, daß er stark und gleichmäßig ging, fluchte er

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