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Kaltgestellt

Kaltgestellt

Titel: Kaltgestellt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Forbes
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schloß die Augen und schlief fast ein, aber als der Zug dann plötzlich aus dem Tunnel wieder ans Sonnenlicht kam, war sie mit einem Schlag wieder hellwach. Jetzt waren in der Ferne höhere Berge mit steileren Flanken zu erkennen. Nirgendwo war mehr ein Dorf zu sehen. Paula bemerkte einen Wagen auf der Straße, die parallel zum Schienenstrang verlief. Die Strecke stieg allmählich an. »Da ist er wieder«, sagte sie.
    »Wer?«, fragte Marler.
    »Der Hubschrauber. Hört ihr nicht das Knattern seiner Rotorblätter? Wahrscheinlich fliegt er direkt über dem Zug.«
    »Ich glaube, Sie haben Recht«, sagte Marler. »Aber woher sollen die denn wissen, wo wir hinfahren?«, warf Nield ein.
    »Da ist was dran«, sagte Tweed. Er war bemüht, Paula zu beruhigen, aber er glaubte nicht, was er sagte. Inzwischen hielt er es für eine gute Idee, daß Marler die Waffen mitgenommen und vorhin an alle verteilt hatte. Ein Hubschrauber in der Nähe der Romney Marsh. Und jetzt ein weiterer hier im Jura. Das sah ganz nach den Amerikanern aus, die offenbar über unbegrenzte Ressourcen verfügten. Tweed blickte auf die Uhr. Sie waren fast in St. Ursanne. »Wir werden bald da sein«, sagte er. »Gut, daß das Wetter so schön ist. Wie gesagt, brauchen wir vom Bahnhof in die Ortschaft gute zehn Minuten, vielleicht auch eine Viertelstunde.«
    Als der Zug in den Bahnhof fuhr, ließ der Pilot den Hubschrauber nach oben steigen und entfernte sich in einer weiten Kurve. Auf diese Weise hoffte er, die Leute im Zug darüber hingwegzutäuschen, daß er ihnen gefolgt war. Kurz zuvor hatte Leo den kleinen Bahnhof mit dem Fernglas angeschaut und auf einem Schild den Namen St. Ursanne gelesen.
    »Sehen Sie das Dorf da hinten?«, fragte er den Piloten. »Ja.«
    »Fliegen Sie mich dorthin, und landen Sie so nahe am Ortskern wie möglich. Dort lassen Sie mich aussteigen und warten so lange, bis ich zurückkomme.«
    »Okay.«
    Während der Pilot den Hubschrauber auf das Dorf zu lenkte, bemerkte er, wie sein Passagier auf dem Sitz herumrutschte und offenbar seinen Sicherheitsgurt löste. Weil er sich auf die Suche nach einem geeigneten Landeplatz konzentrieren mußte, ließ er ihn gewähren.
    »Da können wir runtergehen«, sagte er und deutete auf eine freie Wiese am Ortsrand.
    »Landen Sie, kurz bevor der Zug in den Bahnhof fährt. Ich sage Ihnen, wann.«
    »Okay.« Dann schaute der Pilot hinüber zu seinem Passagier und erschrak. Fast hätte er den Mann nicht mehr als Leo Madison erkannt.

25
    »So, da wären wir«, sagte Tweed, als sie auf dem leeren Bahnsteig standen.
    »Außer uns ist niemand ausgestiegen«, sagte Paula. »Was zu dieser Jahres- und Tageszeit auch nicht weiter verwunderlich ist«, entgegnete Marler.
    Tweed war in Eile. Raschen Schrittes verließ er den Bahnhof und begann, gefolgt von den anderen, eine schmale Straße hinunterzugehen. Sie führte an einer Felswand entlang steil nach unten. Nirgends war ein Fahrzeug zu sehen. An einer Kurve blieb Tweed stehen und deutete nach vorn. »Das ist St. Ursanne.« Die Schönheit der in helles Sonnenlicht getauchten Ortschaft raubte Paula fast den Atem. Sie bestand aus jahrhundertealten Häusern, die sich im Talgrund eng aneinander schmiegten und aus deren Mitte ein spitzer Kirchturm pfeilgerade in den Himmel ragte. St. Ursanne war eine Idylle. Linker Hand der verlassenen Straße fiel die Felswand steil nach unten ab, wo ein kleiner Fluß durch Wiesen und Felder auf den Ortsrand zuwanderte. Paula deutete hinab. »Wissen Sie, wie dieser Fluß heißt?«, fragte sie Tweed.
    »Das ist der Doubs, der auch in dem Roman Rot und Schwarz von Stendhal erwähnt wird. Aber jetzt müssen wir wirklich weiter. Wir haben es eilig.« Noch bevor er richtig ausgesprochen hatte, hatte sich Tweed schon wieder in Bewegung gesetzt und ging mit weit ausholenden Schritten die immer steiler werdende Straße hinunter. Seine Beine bewegten sich dabei auf und ab wie die Kolben eines Motors. Die anderen hatten Mühe, ihm hinterherzukommen. »Gibt’s da unten was umsonst?«, rief Nield von hinten. Tweed gab keine Antwort. Er schien sich nur darauf zu konzentrieren, sein Ziel so schnell wie möglich zu erreichen. Bald tauchte auf der linken Straßenseite ein Gehsteig auf, aber Tweed ignorierte ihn und blieb in der Mitte der Straße. Paula, die ihn jetzt eingeholt hatte, mußte fast rennen, um mit ihm Schritt zu halten. Erst als sie kurz vor der Ortschaft waren, blieb Tweed stehen. Sie waren vor einem der alten Bauernhöfe

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