Kaltgestellt
Sie Ihre Freunde doch herein.« Die Frau führte sie in einen großen Raum, der offenbar als Speisesaal diente. Die mit Kiefernholz getäfelten Wände verliehen ihm eine gemütliche Atmosphäre. An seiner hinteren Wand befand sich eine gut bestückte Bar. Neben dem Durchgang zur Küche hingen einige Gemälde mit dicken Goldrahmen, die Landschaften aus dem Jura darstellten. Einer der Tische war für zehn Personen gedeckt, aber auf den anderen lagen nicht einmal Tischtücher.
»Ich wußte, daß Sie irgendwann einmal kommen würden«, sagte Juliette Leroy. »Ich soll Ihnen etwas von Albert übergeben.«
»Wer ist Albert?«, fragte Tweed erstaunt. »Der Freund, dessentwegen ich hier bin, heißt Kurt.«
»Entschuldigen Sie bitte, das war nur ein kleiner Test. Einen Augenblick, bitte.«
Sie ging in die Küche und zog eine Schublade mit Besteck aus einem der Schränke. Dann stellte sie die Schublade mit der Kante auf einen der Tische und langte an die Unterseite, von wo sie einen Umschlag entfernte, der dort mit einem Klebeband befestigt war. Nachdem sie die Schublade wieder in den Schrank geschoben hatte, brachte sie Tweed den Umschlag.
»Bitte schön. Wie Sie sehen, hat Kurt auf der Rückseite des Umschlags unterschrieben. Haben Sie Hunger?«
»Wir wollten uns nicht aufdrängen.«
»Nun sagen Sie schon.« Als sie mit ihren blaugrauen Augen Tweed geradewegs sah, erkannte er, daß er es bei Juliette Leroy mit einer starken Persönlichkeit zu tun hatte. Gleichzeitig lächelte sie ihn strahlend an. »Mögen Sie filet de perche mit pommes frites. Die meisten Engländer sind ganz verrückt danach. Wie Sie sehen, ist der Tisch schon gedeckt.«
»Aber doch wohl nicht für uns, Mademoiselle.«
»Madame. Ich bin Witwe. Die Leute, die diesen Tisch bestellt haben, kommen erst am Abend. Ich habe genug eingekauft, das reicht auch für Sie und Ihre Freunde.« Tweed schaute auf die Uhr. Auf einmal hatte er enormen Hunger. Was Madame Leroy ihm eben angeboten hatte, war eines seiner Leibgerichte. »Wir müssen in einer Stunde wieder am Bahnhof sein, damit wir den Zug nach Basel noch erwischen.«
»Das schaffen Sie. Nehmen Sie doch bitte Platz.« Madame Leroy ging in die Küche, stellte ein paar Pfannen auf den Herd und holte Lebensmittel aus einem großen Gefrierschrank. Als alle sich gesetzt hatten, bemerkte Paula, daß die Haustür nicht richtig zu war. Als sie hinging, um sie zu schließen, sah sie, wie sich draußen auf der Straße etwas bewegte. Neugierig geworden, trat sie hinaus auf den Treppenabsatz. Nirgends auf der Straße, von der mehrere kleinere Gässchen abgingen, war jemand zu sehen. Dann muss ich mich wohl getäuscht haben, dachte Paula. Sie schloß die Tür und setzte sich neben Tweed an den Tisch. Schneller als Tweed es erwartet hatte, zauberte Madame Leroy sechs Teller mit wunderbar aussehendem Fischfilet auf den Tisch. Sie nahm Tweed gegenüber Platz und bemerkte, daß er bereits etwas von dem herrlich knusprigen Weißbrot gegessen hatte. Sie lächelte. »Sie müssen wirklich hungrig sein.«
»Das ist mit das beste Brot, das ich seit langem gegessen habe«, sagte Tweed. »Haben Sie vielen Dank, Madame.«
»Es ist mir eine Freude, Sie zu bewirten«, erwiderte Juliette und ließ den Blick über Newman, Nield, Butler und Marler wandern, bis er schließlich auf Paula zur Ruhe kam. »Und es freut mich, wenn es Ihnen schmeckt.« Was für eine nette Frau, dachte Paula. Sie strahlt einfach gute Laune aus und mag es, wenn es anderen Leuten gut geht. Schade, daß es nicht mehr von ihrer Sorte gibt. »So Leid es mir tut, aber wir müssen jetzt gehen«, sagte Tweed kurze Zeit später.
»Wie schon gesagt, wir müssen unseren Zug nach Basel erreichen.« Er und die anderen standen auf. Tweed bestand darauf, das Essen zu bezahlen, was Madame Leroy freundlich, aber bestimmt ablehnte.
»Aber Sie betreiben ein Hotel und müssen von etwas leben!«, protestierte Tweed.
»Machen Sie doch einfach mal Urlaub bei mir«, erwiderte Madame Leroy, »dann können Sie Ihr Geld loswerden.« Zögernd steckte Tweed seine Brieftasche wieder weg. Gegen diese Frau hatte er keine Chance. »Madame Leroy.«,begann er mit resignierter Miene. »Bitte, nennen Sie mich Juliette.«
»Gut, Juliette, wir kommen bestimmt einmal in Ihrem wunderschönen Ort Urlaub machen. Und dann werden wir auch ausgiebig Ihre Kochkünste genießen. Dieses Essen werden wir nicht so schnell vergessen.«
»Vielen Dank. Aber jetzt müssen Sie gehen, sonst verpassen Sie
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