Kaltgestellt
herumzuschlagen. Aber sehen Sie mal, wer da ist.« Butler und Nield standen, in ihre Mäntel gehüllt, draußen auf der Straße. Marler und die anderen gingen auf sie zu. »Könnte sein, daß wir es demnächst wieder mit Ronstadt zu tun bekommen. Er und seine Leute sind in der Stadt.«
»Ich kann’s kaum erwarten«, sagte Butler. Paula holte ihre .32er Browning Automatik aus ihrer Umhängetasche und versteckte sie unter dem Mantel. Wieder einmal kam ihr die Nachtluft im Vergleich zur Wärme des Hotels so vor, als wehte sie direkt vom Nordpol herein. Sie gingen an einem Kanal entlang, dessen Wasser gut drei Meter unter ihnen lag. Als Paula hinabschaute, sah sie eine schmale Treppe, die zu einer steinernen Anlegeplattform führte. Dort war ein kleines, offenes Boot festgemacht. Einen Augenblick lang glaubte Paula, eine Bewegung wahrgenommen zu haben, schrieb es dann aber ihrer Einbildung zu. »Diesen Teil von Straßburg muss man einfach bei Nacht sehen«, sagte Tweed schwärmerisch. »Nur so kann man seine ganz eigentümliche Schönheit genießen.«
»Eigentümlich ist das richtige Wort«, sagte Paula und zog ihren Mantel fester um sich. Ihre Schritte waren die einzigen Geräusche in der dunklen Nacht. Weit und breit waren weder Autos noch Fußgänger zu sehen. Paula war ganz fasziniert von der Architektur des Viertels. Behäbige alte Häuser erhoben sich windschief über kopfste in gepflasterten Straßen. Über dem alten Fachwerk der Wände sah Paula spitze Giebel, die alle unterschiedlich hoch waren. Die meisten Häuser hatten vier Stockwerke und viele kleine Fenster, von denen einige sich unmittelbar unter den Dachbalken befanden. Manche der Gebäude kamen Paula wie Hexenhäuser aus den Märchen der Brüder Grimm vor. »In diesen engen Gassen könnte man direkt Platzangst bekommen«, bemerkte sie. »Manche von den alten Häusern sehen so aus, als könnten sie jeden Augenblick über einem zusammenstürzen.«
»Dieses Viertel ist wirklich einmalig«, sagte Tweed. Auf einer komplizierten Route bewegten sie sich immer tiefer in das Labyrinth der Straßen hinein. Fortwährend trafen sie dabei auf Kanäle und Wasserläufe. Paula hatte keinen Schimmer, wo sie waren.
»Ich hoffe, daß irgendwer von uns noch weiß, wie wir zurück zum Hotel kommen«, sagte sie.
»Keine Sorge, ich weiß das«, antwortete Tweed.
»Tatsächlich? Haben Sie einen Stadtplan dabei?«
»Ja. In meinem Kopf. Ich erinnere mich noch gut daran, wie ich das letzte Mal hier war. Außerdem habe ich mir im Hotel einen Stadtplan eingeprägt, der nur die Wasserwege zeigt.
Vermutlich brauchen den die Gäste, die Straßburg mit dem Boot erkunden wollen.«
Paula bereiteten die dunklen Ecken zwischen den Häusern, in die kein Strahl des Mondlichts drang, zunehmend Sorge. Nur ab und zu sah sie eine Straßenlaterne. Zum wiederholten Mal vergewisserte sich Paula, daß Marler und seine beiden Kollegen noch hinter ihnen waren. Marler winkte ihr aufmunternd zu, und sie winkte zurück. Dann blieb sie stehen.
»Wir machen übrigens einen Rundgang, der uns wieder zurück zum Hotel führen wird«, sagte Tweed. »Ich habe gerade ein komisches Geräusch gehört«, sagte Paula. »Klingt wie rauschendes Wasser.«
»Das ist ein Wehr«, erklärte Tweed. »Hier stürzt das Wasser ziemlich imposant nach unten, was ziemlich gefährlich für Boote sein kann, die sich nicht an die Warntafeln halten, die überall an den Kanalwänden angebracht sind. Wir kommen übrigens gleich zum Pont St. Martin. Das ist die Brücke in der Nähe des Wehrs, von der aus wir es uns auch ansehen können.«
Tweed hatte sich gerade wieder in Bewegung gesetzt, als das Geräusch des stürzenden Wassers sehr viel lauter wurde. Paula blieb abermals stehen. »Was ist denn jetzt wieder los?«, sagte Tweed sanft. »Ich höre noch ein anderes Geräusch. Wie von einem Bootsmotor.«
»Stimmt, sie haben Recht. Und es kommt näher. Schauen Sie bloß nicht hinunter in den Kanal«, warnte Tweed. »An Ihrer Stelle würde ich diesen Rat befolgen«, sagte Kent. »Bleiben Sie, wo Sie sind.«
Jetzt waren alle stehen geblieben. Paula drehte sich um und sah, wie Marler warnend eine Hand hob. Dann wechselte er rasch ein paar Worte mit Butler und Nield. Erstaunt sah sie, wie Butler eine Baskenmütze aus der Jackentasche nahm und sie auf den Lauf seiner Walther steckte. Dann ging er gebückt zu der Mauer, hinter der sich der Kanal verbarg. Paula hörte, wie das Geräusch des Boots immer näher kam und nahm ihre
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