Kaltgestellt
hielt die Augen fest geschlossen, obwohl sein Griff ihr wehtat. Sie versuchte, locker zu bleiben und dem Schütteln keinen Widerstand entgegenzusetzen. »Okay, du willst es nicht anders. Jetzt hole ich den Eimer Wasser.« Paula stöhnte leise und öffnete die Augen. Der Mann war furchtbar häßlich. Seine Glatze glänzte im Licht der nackten Glühbirnen, die von den Dachbalken herabhingen, und seine Augen glitzerten in freudiger Erwartung. Langsam zog er die Pistole aus dem breiten Ledergürtel unter seiner Windjacke.
»Ein fauler Trick, und ich jage dir eine Kugel durch den Schädel. Hast du mich verstanden?«
»Wo bin ich? Und wer sind Sie?«
»Meine Freunde nennen mich Glatzkopf. Dreimal darfst du raten, weshalb.«
»Ich kann mich nicht bewegen«, sagte Paula absichtlich undeutlich.
»Und ich kann Sie nicht richtig erkennen. Wo bin ich?«
»An einem Ort, wo uns keiner stören wird, wenn wir beide gleich ein paar lustige Spielchen miteinander spielen.«
»Mir ist ganz schwummrig.« Paula schloß die Augen wieder, woraufhin der Mann ihr mehrmals ins Gesicht schlug. Der Schmerz half ihr, völlig wach zu werden. Dann hörte sie, wie der Glatzkopf hinter die Couch trat. Auf einmal wurde ihr etwas Kühles und Schweres um den Hals gelegt. Es war die Kette, die sie vorhin über den Balken hatte hängen sehen. Paula mußte gegen eine übermächtige Angst ankämpfen. Jetzt, wo sie wieder halbwegs klar denken konnte, wurde ihr schlagartig bewusst, in was für einer verzweifelten Situation sie sich befand. Ihr Entführer hatte nicht vor, sie am Leben zu lassen, denn sonst hätte er ihr nicht sein Gesicht gezeigt. Und nun hatte er ihr auch noch eine Kette um den Hals geschlungen. Sie fühlte sich völlig hilflos. »So, du kannst jetzt aufstehen. Oder ist es dir lieber, wenn ich dich wie einen Hund an der Leine hochzerre?«, kicherte er.
»Du würdest ein hübsches Hündchen abgeben.« Paula öffnete die Augen. Der Mann hatte das eine Ende der Kette in der Hand und machte Anstalten, daran zu ziehen. Paula stützte sich mit beiden Händen auf der Couch ab. »Ich glaube, ich kann nicht aufstehen.«
»Kein Problem. Dann ziehe ich dich eben.«
»Warten Sie einen Augenblick.«
»Steh auf, verdammt noch mal!«, schrie der Glatzkopf. Paula erhob sich langsamer, als sie gekonnt hätte. Obwohl sie spürte, wie ihre Kräfte langsam zurückkehrten, war sie noch ziemlich wackelig auf den Beinen. Nun sah sie mehr von dem Lagerhaus, in dem sich hauptsächlich alte Möbel befanden. Neben der Couch, auf der sie gesessen hatte, erkannte Paula mehrere andere Sofas und einen verkratzten alten Holzstuhl, auf den der Glatzkopf ihren Mantel geworfen hatte. Über der Lehne hing auch ihre Umhängetasche. Paula hoffte, daß ihr Entführer die Tasche nicht genauer untersucht hatte und ihre Browning sich immer noch in dem verborgenen Spezialfach befand. Allerdings hatte Paula in ihrer momentanen Lage überhaupt nichts davon, wenn die Pistole noch da war. Sie hätte genauso gut eine Meile weit entfernt sein können.
»Wir werden jetzt einen kleinen Spaziergang machen«, sagte der Glatzkopf grinsend.
»Was ist, wenn ich nicht laufen kann?«
»Keine Angst, ich werde dir schon helfen.«
»Moment, ich versuche es mal.« Der Glatzkopf zog an der Kette, deren anderes Ende um Paulas Hals geschlungen war. Paula spürte, wie das kalte Metall der Glieder sich an die nackte Haut drückte. Während des kurzen Wegs hinüber zu dem Balken, den sie schon zuvor gesehen hatte, hielt sie immer wieder kurz inne, um die Beine zu strecken und ihre Kraft zu testen.
»Nicht stehen bleiben, Hündchen«, sagte der Glatzkopf höhnisch.
»Wir haben nicht die ganze Nacht lang Zeit.«
»Ich habe ganz weiche Knie«, sagte Paula, was aber nicht der Wahrheit entsprach.
»Ich kann dich auch über den Boden schleifen. Du hast die Wahl, Süße.« Auf einmal ergriff eine eiskalte Wut von Paula Besitz. Am liebsten hätte sie dem Mann in sein widerlich grinsendes Gesicht geschlagen. Sie fühlte sich von ihm zutiefst gedemütigt. Dieser miese kleine Schläger aus der Gosse wird mich nicht unterkriegen! schwor sie sich und senkte den Kopf, damit der Glatzkopf ihr Gesicht nicht sehen konnte. Dabei fiel ihr Blick auf den Boden der Halle. Unterhalb des Balkens, zu dem sie der Glatzkopf unaufhaltsam hinzog, entdeckte sie eine längliche, geschlossene Falltür. Dahinter war eine kleine Vertiefung im Holz, aus der ein breiter Metallhebel ragte. Als Paula über die mögliche
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