Kaltgestellt
wenn jemand einen internationalen Hintergrund hat. Was für einen Job hat Ihr Vater denn in Washington?«
»Er war Diplomat.« Tweed hatte Denise Chatel nicht angesehen, sondern Kringel auf seinem Notizblock gekritzelt. Jetzt ließ etwas im Ton ihrer Stimme ihn aufblicken. »Er war?«
»Ja. Er ist vor einem Jahr zusammen mit meiner Mutter bei einem Autounfall in der Nähe von Washington gestorben.« Tweed bemerkte einen feuchten Glanz in Denises Augen. Sie griff nach der Kaffeetasse, die Monica vor ihr hingestellt hatte, und nahm einen Schluck. Dann setzte sie die Tasse wieder ab und blickte sich wie ein scheues Reh um. »Mein herzliches Beileid«, sagte Tweed. »Ich weiß, daß Worte einem nicht viel helfen können, wenn man einen solchen Verlust erlitten hat. Ich hoffe, es macht Ihnen nichts aus, wenn ich Ihnen noch eine diesbezügliche Frage stelle. Ich würde gern wissen, ob bei dem Autounfall ein anderes Fahrzeug beteiligt war.«
»Ist schon in Ordnung«, sagte Denise und trank einen weiteren Schluck Kaffee. »Ja, laut Auskunft der Polizei war ein weiteres Fahrzeug an dem Unfall beteiligt. Dessen Fahrer hat aber Fahrerflucht begangen und ist nie gefunden worden.«
»Eine andere Frage, Ms. Chatel«, mischte Marler sich ein. »Dürfte ich Sie vielleicht morgen zum Abendessen einladen.«
»Kann ich mir das noch eine Weile durch den Kopf gehen lassen?«, fragte Denise und drehte sich in ihrem Stuhl um, um Marler genauer in Augenschein zu nehmen. »Aber zunächst einmal danke für das Angebot.« Sie wandte sich wieder Tweed zu und sagte mit leiser Stimme: »Kann man diesen Leuten hier vertrauen? Ich spüre ziemlich deutlich, daß die Frau, die mir den Kaffee gebracht hat, mich nicht mag.«
»Ich lege für alle drei meine Hand ins Feuer«, erwiderte Tweed ruhig.
»Ich habe Angst. Große Angst.« Obwohl sie jetzt wieder mit normaler Stimme sprach, kam Tweed die Frau irgendwie verändert vor. Als sie in sein Büro gekommen war, hatte sie einen verschüchterten, aber lebhaften Eindruck auf ihn gemacht. Jetzt schienen ihre blauen Augen ihn geradezu um Hilfe anzuflehen. Sie machte tatsächlich den Eindruck, unter großer Angst zu leiden. Newman goß ihr noch etwas Kaffee nach.
»Ist das der Grund, weshalb Sie mich sprechen wollten?«, fragte Tweed.
»Ja. Aber ich hatte ursprünglich einen anderen Grund. Aber von dem erzähle ich Ihnen später.«
»Warum kommen Sie ausgerechnet zu mir?«
»Weil Cord Dillon mir gesagt hat, Sie wären der einzige Mensch, dem ich in London vertrauen könnte, wenn ich einmal in Schwierigkeiten gerate.«
Tweeds Gesichtsausdruck blieb unverändert, obwohl die Worte der Frau ihn hellhörig machten. In seinem Kopf überschlugen sich die Gedanken, und er ging eine Reihe von Möglichkeiten durch, die allesamt ziemlich bedrohlich waren.
»Wie haben Sie denn Cord Dillon kennen gelernt?«, fragte er vorsichtig.
»Sharon hat ihn ein paarmal aus Langley in ihr Washingtoner Büro gebeten. Was sie besprochen haben, weiß ich nicht, denn man hat mich immer hinausgeschickt. Aber Dillon hat einen sehr integren Eindruck auf mich gemacht. Einmal war er ein paar Minuten zu früh bei uns, und da haben wir uns miteinander unterhalten. Ich habe ihm erzählt, daß Sharon und ich nach London gehen würden. Daraufhin hat er mir Ihren Namen genannt.«
»Wovor haben Sie Angst?«
»Nun.« Sie hielt inne. »Ich werde von einigen der Männer verfolgt, die vor kurzem neu in die Botschaft gekommen sind. Sie überwachen mich auf Schritt und Tritt und haben sogar mein Telefon angezapft. Mein Appartement hier in Belgravia – ganz in der Nähe von Sharons Wohnung übrigens – ist durchsucht worden, während ich in der Botschaft war. Sah nach der Arbeit von hochkarätigen Profis aus. Fast wäre es mir gar nicht aufgefallen, aber ich bin nun mal sehr ordentlich und merke es sofort, wenn irgendwelche Dinge nicht ganz am gewohnten Ort sind.«
»Und wie kann ich Ihnen in dieser Angelegenheit helfen?«
»Ich möchte, daß wir miteinander in enger Verbindung bleiben«, sagte sie und drehte sich zu Marler um. »Jetzt habe ich mich übrigens entschieden. Ich würde Ihre Einladung zum Abendessen gern annehmen. Wie heißen Sie übrigens?«
»Alec«, antwortete Marler wie aus der Pistole geschossen und verwendete dabei den erstbesten Namen, der ihm einfiel.
»Ich schlage vor, daß wir ins Lanesborough gehen. Soll ich Sie von Ihrer Wohnung abholen?«
»Nein! Tun Sie das nicht!« Sie schien beunruhigt zu sein. »Mein
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