KALTHERZ
Bronze. Die hatte dort früher nicht g e standen. Der Kopf war abgetrennt und dann schief auf die Figur aufgesetzt worden. Wie Katja einer Inschrift auf dem achteckigen Sockel en t nehmen konnte, auf dem der Engel stand, handelte es sich um ein Mahnmal, das an die Verbrechen an Hom o sexuellen im Dritten Reich erinnerte. Um die Figur war ein kleiner Platz gestaltet worden mit Bänken und einer niedrigen B e grenzung s mauer.
„Hast du das Mahnmal schon mal gesehen?“, fragte sie Pfaff.
„Ist mir bisher nicht aufgefallen“, verneinte Pfaff. „W a rum, ist das wichtig?“
„Erinnerst du dich an die Bilder auf Knabs Laptop?“ Pfaff nickte.
„Und die Fotos, die offenbar von Stefan und Selbe r mann stammten, aber auch auf seinem Laptop waren?“
„Ja, was ist daran jetzt so wichtig?“
„Einer von den beiden hat diesen Engel fotografiert. Sie müssen also hier gewesen sein. Hier in dieser Gegend.“ Katja war ganz aufgeregt.
„Es ist das Viertel für Schwule. Was sollten Stefan Hartmann und Selbe r mann hier gemacht haben, wenn es nicht mit Magnus Knab und seinen sexuellen Präferenzen zu tun gehabt hätte?“ Sie sah Pfaff fr a gend an.
„Es könnte eine einfache Erklärung dafür geben“, an t wortete Pfaff lahm.
„Sie haben Engelsmotive gesucht und rein zufällig den Engel der Schwulen en t deckt? So was in der Art? Das glaubst du doch selbst nicht.“
„Wir werden sie einfach fragen“, versuchte Pfaff sie zu beruhigen. „Heute Abend haben wir erst mal anderes zu tun.“
Katja musste Pfaff recht geben und sie gingen langsam weiter.
„Hier gibt’s für jeden Geschmack etwas.“ Pfaff zeigte in eine schmale Gasse.
„Da hinten ist das Comeback. Bisschen schmuddelig, gehen auch Str i cher hin.“
Katja kannte einige Kneipen aus ihrer Zeit bei der Sitte.
„Wo fangen wir an?“, fragte sie Pfaff.
„Ich denke, wir nehmen uns zuerst das Switchboard vor. Es wird von der Aidshilfe geführt und ist ein wichtiger A n laufpunkt für viele Schwule.“
Sie hatten ein Foto von Magnus Knab dabei und eine sehr undeutliche Kopie vom Foto des Mannes an der U-Bahn Halt e stelle Taunusanlage.
Das Switchboard hätte durchaus als gemütliche Famil i enkneipe durc h gehen können, wären die Gäste nicht fast ausnahmslos Männer g e wesen. Eine Frau befand sich außer Katja im Gastraum. An den Wänden hingen kleine Bilde r rahmen, auf denen grüne Plastikstiele weiße Plastik-Gänseblümchen sprießen ließen, die aus dem Rahmen he r ausragten. Ein buntes Chiffontuch u m hüllte eine Säule in der Mitte des Raumes, gehalten von einer bunten Lichte r kette, die drum herum drapiert worden war. Die Ei n richtung b e stand aus rustikalen Holztischen und -stühlen, und der große g e schwungene Tresen am Ende des Raumes lud zum Trinken und Kontaktaufnehmen ein. Lediglich eine silberne Glitzerkugel an der Decke, die ihr flirre n des Licht über Wände und Gäste huschen ließ, passte nicht ganz zum ansonsten bürge r lichen Ambiente. An einem größeren Tisch entdeckte Katja ein Stammtisch-Schild. Die Aufschrift laut e te: Queen Mum Club. Auf was die Leute alles kamen. Sie gingen zum Tresen und zeigten der B e dienung das Foto von Magnus Knab.
„Haben Sie den schon mal gesehen?“, fragte Pfaff.
Der Mann schaute sich das Foto an, schüttelte aber den Kopf.
„Wir arbeiten alle ehrenamtlich hier. Alle paar Tage wechseln die Mi t arbeiter. Da müssen Sie morgen mal die anderen fragen.“ Er brachte drei gefüllte Rotwei n gläser zu den Gästen. Pfaff und Katja gingen an die Tische und zei g ten das Foto. Aber keiner kannte Magnus Knab.
„Wäre ja zu einfach gewesen“, meinte Katja, als sie wi e der dra u ßen waren.
„Nur Geduld. Das war ja erst der Anfang. Außerdem sollten wir noch mal herkommen. Wenn die B e dienung ständig wechselt, kann ihn ja von den anderen freiwilligen Helfern einer gesehen haben. Jetzt nehmen wir uns das Comeback vor.“
Sie gingen ein Stück die Straße zurück und bogen in die dunkle Gasse ein. Das Comeback machte einen völlig and e ren Eindruck als das Switchboard. Dort ging es weniger familiär und geruhsam zu. Im Halbdunkel herrschte hekt i sche Betriebsamkeit. Das Publikum war stark gemischt. Geschäftsleute, Männer im Freizeit- oder Lederlook und ganz junge Typen standen zusammen oder saßen auf Ba r hockern, die die einzige Sitzgelegenheit boten. Aus den Lautsprechern dröh n te laute Musik. Sie drängten sich durch die Menge und zeigten wieder ihr Bild herum, aber
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