Kaltherzig
hätten, Juan?«, fragte ich. Ich schüttelte den Kopf und hielt die Hände hoch, um eine Antwort abzuwehren. »Antworten Sie nicht. Sparen Sie sich die Mühe.«
Eine Weile blieben wir beide still. Barbaro starrte in eine Richtung und dachte an ich weiß nicht, was. Ich starrte in eine andere und dachte daran, was für eine vor Leben sprühende, vielversprechende junge Frau Irina hätte sein können, wären da nicht ein paar falsche Prioritäten und ein halbes Dutzend Männer gewesen, die glaubten, die Regeln einer anständigen Gesellschaft würden für sie nicht gelten.
Sie hatte eine Reihe dummer, unvorsichtiger Entscheidungen getroffen. Es war nur tragisch, dass sie mit ihrem Leben dafür bezahlt hatte.
»Dachte Irina, dass Bennett sie heiraten würde?«, fragte ich.
Barbaro sah mich erstaunt an. »Warum sollte sie das denken? Sie wusste, dass er verheiratet ist.«
»Sie war vielleicht schwanger. Und sie hatte ein Auge auf ihn geworfen... Alles in allem glaube ich nicht, dass sie seine Frau als ein Hindernis angesehen hätte.«
Sie war jung, schön, lebenslustig, aufregend, sexy. Unglücklicherweise war ihr nicht klar, dass das Eigenschaften sind, die ein reicher Mann bei seiner Geliebten sucht, nicht bei seiner Ehefrau. Und die einzigen beiden Dinge, die ihr
fehlten, waren die einzigen, die für einen Mann wie Bennett Walker zählten: Geld und Beziehungen.
»Ich hätte nie gedacht, dass so etwas passieren würde«, sagte Barbaro leise.
»Ja«, gab ich zurück. »Es ist alles Spiel und Spaß - bis jemand ums Leben kommt.«
»Wie geht es jetzt weiter?«, fragte er.
»Sie reden mit Landry.«
Ich holte mein Handy aus der Tasche, zögerte aber, ehe ich Landrys Nummer eintippte.
»Sie hätten ihn selbst anrufen können«, sagte ich. »Warum wollten Sie zuerst mit mir sprechen?«
»Ich tue das alles wegen Ihnen, Elena«, sagte er, und seine großen braunen Augen ruhten ernst auf mir. »Wegen der Dinge, die Sie gestern Abend zu mir gesagt haben. Ein solcher Mann will ich nicht sein.«
Was für ein hübscher Text, dachte ich. Aber ich glaubte ihm nicht. Und ich traute ihm nicht.
»Ich fühle mich geschmeichelt«, sagte ich ohne Aufrichtigkeit, dann klappte ich mein Handy auf und rief Landry an.
48
»Was zum Teufel soll das heißen, dass wir seinen Anwalt anrufen müssen, ehe wir den Durchsuchungsbefehl ausführen?« Landry war fassungslos über den Vorschlag. »Das ist doch wohl nicht zu glauben, verdammt noch mal!«
»Es ist eine Gefälligkeit«, sagte Dugan, wie er vielleicht gesagt hätte: Es ist ein Dickdarmgeschwür.
»Gefälligkeit? Seit wann sind Gefälligkeiten unser Job?«
Dugan warf einen Blick auf den Typ im dreiteiligen Anzug, der neben seinem Schreibtisch stand. Wer zum Teufel trägt heute noch dreiteilige Anzüge?, dachte Landry.
»Staatsanwalt Paulson hier kann Sie aufklären«, sagte er.
Landry sah Paulson finster an. Er war ein teigiger Mensch mit einer prätentiösen kleinen Rundbrille. »Wie viele Durchsuchungsbefehle bei Mordverdächtigen haben Sie schon ausgeführt?«
»Nun, ich...«
»Ich sage Ihnen, wie viele«, unterbrach ihn Landry. »Null. Keinen einzigen. Und deshalb werde ich Sie aufklären, Paulson. Wir verschicken keine gravierten Einladungen. Denn wenn wir unser Blatt aufdecken, hat der Verdächtige Zeit, Dinge zu verstecken oder loszuwerden - zum Beispiel Beweise. «
»Das ist nicht irgendein Mordverdächtiger«, sagte Paulson. »Die Familie Walker ist sehr prominent in Florida, genau wie Mr. Walkers Schwiegereltern.«
Landry starrte Paulson an, starrte Dugan an. »Ist das zu fassen, was der Kerl hier redet? Haben Sie schon einmal so einen Bockmist gehört? Bennett Walker steht im Verdacht, ein Mädchen umgebracht und seine Leiche den Alligatoren zum Fraß vorgeworfen zu haben. Er hat wahrscheinlich das andere Mädchen überfallen, um es zum Schweigen zu bringen. Es interessiert mich einen feuchten Dreck, wer er ist, oder wer seine Familie ist...«
»Den Gouverneur interessiert es«, sagte Paulson.
Landry war so wütend, dass er kein Wort mehr herausbrachte. Er verließ Dugans Büro, ging zu seinem Schreibtisch, wo er zwei Fotos aus dem immer größer werdenden Stapel von Unterlagen zum Mordfall Markova zog, und marschierte zurück in Dugans Büro. Er hielt die Aufnahmen von der Autopsie in die Höhe und näherte sich Paulson.
»Das schützen Sie«, sagte er. »Den Mann, der das getan hat.«
Paulson trat einen Schritt zurück und zuckte beim Anblick des
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