Kaltherzig
Handicap von zehn.«
»Mr. Brody hat ein gutes Auge.«
»Auf diese Weise hat er sein Vermögen gemacht.«
»Sie haben sich Ihren Platz am Tisch verdient.«
»Ich bin gut für Mr. Brody. Mr. Brody ist sehr gut zu mir«, sagte Barbaro und hob die Hände. »Und jetzt muss ich zur Arbeit gehen, damit alles so bleibt.«
Landry ließ sich seine Telefonnummer geben, dann durfte er gehen. Weiss kam von der rückwärtigen Terrasse in die geräumige Halle und sah immer noch wütend aus.
»Ich hasse diese Leute.«
»Weil sie reich sind?«, fragte Landry.
»Weil sie Arschlöcher sind.«
»Du wendest dich gegen deinesgleichen?«
»Sehr witzig. Sie haben nichts gesehen und nichts gehört, sie wissen nichts und geben sich gegenseitig Alibis. Und«, fügte er an, »sie wollen wissen, wohin sie Beileidsbekundungen schicken können. Ich könnte kotzen. Was hatten deine beiden zu sagen?«
»Dasselbe«, sagte Landry im Hinausgehen. »Barbaro ist Walkers Alibi, Walker das von Barbaro. Sie kannten beide das Mädchen, aber keiner von ihnen hat gesehen, wie sie die Party verließ. Sie bumst mit allen, aber niemand bumst mit ihr.«
»Es gefällt mir nicht, dass sie alle hier sind«, sagte Weiss. »Es gefällt mir nicht, dass sie über das Mädchen reden.«
»Das ist ein gottverdammter Alibiverein«, sagte Landry.
»Und was machen wir jetzt?«
»Jetzt suchen wir uns jemanden, der nicht Mitglied ist.«
20
Ich beschloss, nicht über Alexi Kulak nachzudenken. Nicht weil ich das Problem verdrängen wollte. Es gab nur einfach nichts, was ich gegen ihn tun konnte. Ich wollte zuallererst Irinas Mörder finden. Zufällig stimmte meine Priorität mit seiner überein. Um alles andere würde ich mich kümmern, wenn es so weit war.
Ich fragte mich, ob Irinas Autopsie schon im Gange war. Welche Informationen würde der Pathologe wohl zutage fördern? War sie vergewaltigt worden? Gefoltert? Wann war sie gestorben? Wie viel hatte sie gelitten? Hatte man wie durch ein Wunder etwas in oder an der Leiche gefunden, woraus sich ein DNA-Profil des Mörders erstellen ließ?
Mutter Natur ist ein komischer alter Kauz. Ich hatte Fälle erlebt, wo eigentlich keine Hoffnung bestand, Hautzellen des Täters unter den Fingernägeln des Opfers zu finden
- und doch waren sie da gewesen. Es war möglich. Die Chancen standen nicht gut, aber …
Ich dachte an den Fall Laci Peterson in Kalifornien, wo alle Hoffnungen, die Leiche der Frau zu finden, mit ihr und dem Betonanker, an den man sie gebunden hatte, eigentlich über Bord gegangen waren. Doch der Körper hatte jeder Wahrscheinlichkeit getrotzt und war nicht einfach nur an Land gespült worden, sondern noch dazu wenige hundert Meter von einem Kriminallabor entfernt.
Ich wusste, dass Irina, falls sie die Möglichkeit dazu gehabt hatte, kämpfend untergegangen war. Ich konnte nur hoffen, dass bei der Autopsie Beweise dafür gefunden wurden.
Natürlich würde man mir nichts davon mitteilen. Als Polizistin war mir jede verfügbare Technologie zugänglich gewesen, vorausgesetzt, der Bezirk war gewillt, sie zu bezahlen. Als Zivilistin fühlte ich mich so gehandicapt wie Billy Quint.
Ich hatte immer noch Kontakte bei den Strafverfolgungsbehörden, zu den wenigen Leuten, die mich nicht so harsch beurteilt hatten wie meine Vorgesetzten - oder ich mich selbst -, als sich meine Laufbahn mit dem Tod von Hector Ramirez in nichts auflöste. Ich hatte Mercedes Gitan kennengelernt, als sie gerade zur stellvertretenden Leiterin der amtlichen Leichenbeschau ernannt worden war. Ich hatte während meiner aktiven Zeit mehr als einer Autopsie beigewohnt, die sie durchführte.
Es war drei Jahre und ein ganzes Leben her, seit ich sie zuletzt gesehen hatte. Sie war in den ersten Wochen nach meiner Nahtod-Erfahrung sogar ein paarmal ins Krankenhaus gekommen. Ich hatte damals niemanden sehen wollen
und auf keinen Fall gewollt, dass jemand mich sah. Alle, die mir helfen wollten, hatte ich zurückgewiesen, und sie hatten es schließlich aufgegeben. Ich fragte mich nun, ob sie meinen Anruf überhaupt entgegennehmen würde, ganz zu schweigen davon, dass sie mich mit Informationen versorgte, die nur für die Detectives des Sheriffs bestimmt waren.
Ich hielt auf der Rückfahrt zur Farm bei einem Starbucks, um etwas Pappsüßes mit künstlichem Aroma für Sean und einen doppelt starken Espresso für mich mitzunehmen. Sean führte gerade ein Pferd in die Scheune, als ich in den Hof einbog. Er sah aus wie ein Ralph-Lauren-Model.
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