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Kaltherzig

Titel: Kaltherzig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tami Hoag Fred Kinzel
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Groß, hübsch, Züge wie gemeißelt, schmale Hüften.
    »Ich hab dir einen Weiße-Schokolade-Mokka mit Schlagsahne und so viel Süßstoff mitgebracht, dass man ein Dutzend Laborratten damit umbringen könnte«, sagte ich und gab ihm sein Getränk, während er die Stute mit den Kreuzgurten festband, um sie zu striegeln.
    Er sah mich an und riss die Augen auf. »Mein Gott, Elena! Was ist mit dir passiert? Was hast du mit deiner Lippe gemacht?«
    »Ich bin gestolpert und hingefallen. Mach keine große Sache daraus. Nimm deinen Kaffee.«
    Er nahm den Becher und stellte ihn beiseite, ohne mich aus den Augen zu lassen. »Ich glaube dir nicht.«
    »Wieso nicht?«
    »Weil Sie als Lügnerin bekannt sind, mein Fräulein.«
    »Wie dem auch sei«, sagte ich, »so war es.«
    »Ich bin sowieso schon ein Nervenbündel, Elena. Ich will mir nicht auch noch Sorgen um dich machen müssen.«

    »Sehr schickes Outfit«, sagte ich. »Die braune Reithose, das passende Hemd, die Nadelstreifen. Sehr schick.«
    Er sah gekränkt aus. »Hältst du mich wirklich für so oberflächlich, dass ich mich durch Komplimente ablenken ließe?«
    »Bisher hat es immer funktioniert.«
    Hinter ihm richtete die kleine, kastanienbraune Stute die Ohren auf, schüttelte den Kopf und hob ein Vorderbein, als wollte sie aufstampfen.
    »Ich glaube, die Bienenkönigin ist bereit, in ihre Kammer zurückzukehren«, sagte ich.
    Er führte das Pferd in seine Box zurück, aber die Pause in der Unterhaltung lenkte seine Aufmerksamkeit nicht von meiner aufgeplatzten Lippe.
    »Schwör mir, dass das nicht die Folge häuslicher Gewalt ist«, sagte er.
    Ich verdrehte die Augen. »Erstens habe ich mit Landry vor zwei Tagen Schluss gemacht. Wer sollte mich also verprügeln? Mein imaginärer Freund? Ich war gestern Abend allein zu Hause. Zweitens bin ich, ehrlich gesagt, beleidigt, dass du denkst, ich würde mir das von irgendeinem Blödmann antun lassen. Und ich bin in Landrys Namen beleidigt.«
    »Ich habe ja nicht gesagt, dass du ihn ungestraft davonkommen lassen würdest«, antwortete er. »Liegt eine Leiche in deinem Haus, die wir unauffällig beiseitigen müssen?«
    Kaum waren ihm die Worte über die Lippen gekommen, füllten sich seine Augen mit Tränen. »O mein Gott, was rede ich da.«
    Armer Sean. Anders als ich hatte er sich entschieden, weiter auf der flauschigen Wolke des Lebensstils von Palm
Beach dahinzutreiben. Keine Bearbeitung von Drogendeals und Morden, kein Leben inmitten der Grausamkeiten einer niedrigeren Existenz hatte ihm seine Sensibilität ausgetrieben.
    Er sah zur Tür der Lounge. »Ich rechne ständig damit, dass sie durch diese Tür kommt und sich über irgendwas beschwert. Wenn sie es nur täte.«
    »Ich weiß. Ich wünschte, gestern wäre nie passiert.«
    »Nie im Leben hätte ich gedacht, dass ich mal jemanden kennen würde, der ermordet wird«, sagte er.
    »Was ist mit mir?«
    »Du bist zu boshaft, um zu sterben.« Er sah mich untypisch ernst an. »Hoffe ich jedenfalls. Du bist die ungezogene kleine Schwester, die ich nie hatte. Ich würde dir nie verzeihen.«
    »Ich werde tun, was ich kann«, sagte ich und dachte, dass ich dasselbe vor einem Jahr vielleicht nicht gesagt hätte. Sean dachte es ebenfalls.
    »Ich habe dich nicht aus der Gosse gerettet, damit du mir hier abkratzt«, sagte er.
    »Ich habe nicht vor abzukratzen.«
    Er streckte die Hand nach meiner Lippe aus, ohne sie wirklich zu berühren. »Das sieht fürchterlich aus. Weißt du nicht, wie man so etwas überschminkt? Und ein bisschen Preparation H würde die Schwellung zurückgehen lassen. Mit einem neutralen Lippenstift könntest du die Illusion von Symmetrie erzeugen.«
    »Bereitest du dich jetzt auf dein Outcoming als Transvestit vor?«, fragte ich bei der Vorstellung, eine Hämorrhoiden-Salbe zu benutzen.
    »Schätzchen, was zu outen war, habe ich geoutet. Ich
habe nicht ein kleines Vermögen für Personal Trainer und Diätgurus ausgegeben, um diesen Körper in Frauenkleidern zu verstecken. Trinken wir unseren Kaffee.«
    Wir verließen die Scheune und setzten uns auf die Bank vor der Reitarena. Sean blickte zur Straße, wo ein paar Fahrzeuge von Nachrichtensendern standen.
    »Haben Sie versucht, mit dir zu reden?«, fragte ich.
    »Ich habe alle Interviewwünsche abgelehnt. Ich wäre niemals so geschmacklos, die Ermordung eines Menschen zu kommentieren, den ich kannte. Aber das hält sie natürlich nicht davon ab, mit ihren Kameras da draußen zu stehen. ›Schauen Sie‹«,

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