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Kaltherzig

Titel: Kaltherzig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tami Hoag Fred Kinzel
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verdrehte das Recht ein wenig für meine Zwecke. »Ich brauche ihm dafür nur von unserem Gespräch zu erzählen.«
    Sie sah mich an und sagte dann verängstigt: »Gefängnis? Ich habe nichts Unrechtes getan!«
    »Sie begehen Unrecht, indem Sie mir nicht sagen, was Sie wissen.«
    Ihr Blick sauste umher wie eine Flipperkugel, während sie nach einem Ausweg suchte. Sie war überzeugt, ich sei eine Privatdetektivin. Ich hatte oft genug den Pluralis majestatis
benutzt, um nahezulegen, dass die Detectives des Sheriffs und ich zusammenarbeiteten. Sie hatte das Gefühl, in der Falle zu sitzen. Ich hoffte, sie würde das tun, was die meisten braven Mädchen aus dem Mittleren Westen in so einer Lage wohl taten - sich der Autorität unterwerfen und die Wahrheit sagen.
    Lisbeth sah sich nach Zeugen um, dann blickte sie wieder zu Boden, aus Verlegenheit, aus Scham oder beidem. »Manchmal gerät alles außer Kontrolle. Alle sind betrunken oder high oder so. Und dann verlagern sie die Party in das Haus von irgendwem, und es gibt Sex.«
    »So etwas wie eine Orgie.«
    Das große Seufzen wieder. »Ja, so in etwa.«
    »Und Sie wollten nicht mit, aber Irina war es egal?«
    »Ja, so ungefähr«, sagte sie, und verstummte, als wir uns wieder dem Anhänger von Star Polo näherten. Sie zog das Pferd in seinen Stellplatz zwischen den anderen und begann, ihm das Sattelzeug abzunehmen.
    Ich blieb zurück, da ich spürte, ich hatte sie so weit gedrängt, wie es im Augenblick möglich war. Ich konnte nicht behaupten, dass mich das, was sie erzählt hatte, im Geringsten überraschte. Wenn Menschen wissen, dass es keine Grenzen für sie gibt, setzen sie sich selten selbst welche. Zu viel Geld, Freizeit, Versuchung und so weiter und so weiter.
    War es das, was in der Nacht von Irinas Verschwinden passiert war? Die Party war außer Kontrolle geraten, der Sex ein bisschen zu hart geworden, das Spiel hatte sich in tödlichen Ernst verwandelt?
    Irina hatte alles kalt gelassen. Wenn man ihre abgehärtete Wahrnehmung der Welt mit ihrem angeblichen
Wunsch, sich einen reichen amerikanischen Mann zu angeln, kombinierte... Es überraschte mich nicht, dass sie bei den Spielen mitmachte - und dass Lisbeth mit ihrer bodenständigen Art es nicht tat. Da Lisbeth andererseits aber so viel wusste, konnte sie früher durchaus dabei gewesen sein. Das würde ihre Verlegenheit und/oder Scham erklären.
    Ich sah mich um, ob uns jemand hören konnte, und trat neben das Pferd in den Hänger. »Lisbeth, wer war bei diesen Partys?«, fragte ich leise.
    »Die ganzen Typen«, murmelte sie und schaute nervös über die Schulter. »Der Club.«
    »Welcher Club? Der Polo Club?«
    »Nein. Mr. Brody und seine Freunde. Sie nennen sich der Alibi-Club.«
    Ein ungutes Gefühl überkam mich bei ihren Worten. Der Alibi-Club. Ich hatte Bennett Walker den Alibi-Mann genannt. Jetzt waren sie ein ganzer Verein. Reiche, böse Jungs, die sich gegenseitig deckten, wenn es Ärger gab. Und den gab es jetzt auf alle Fälle.
    »Lisbeth!«, bellte Jim Brody hinter einem Pferd hervor. »Wieso zum Teufel dauert das so lange? Manuel braucht dich hier.«
    »Ja, Mr. Brody. Sofort.« Das Mädchen nutzte die Gelegenheit, um von mir fortzukommen.
    Jim Brody und ich sahen uns einen Moment lang an. Er überlegte, ob er mich kennen müsste oder sich die Mühe machen sollte, mich kennenzulernen.
    »Elena!« Barbaro sprang von einem Pferd und warf einer Pflegerin die Zügel zu. Er war ein Bild von Männlichkeit in seinen weißen Reithosen und den hohen Stiefeln. Das Tier in seinem Element. »Wie schön, dass Sie gekommen sind!«

    Sein Lächeln war breit, sein Haar zerzaust. Aber das Lächeln setzte aus, als ich mich ganz zu ihm umwandte.
    »Was ist passiert?«, fragte er und nahm mein Gesicht sanft zwischen beide Hände.
    »Ich bin gestürzt«, sagte ich. »Ich sollte mir eine bessere Geschichte ausdenken, statt zuzugeben, was für ein Trampel ich bin, aber so ist es nun mal.«
    »Ist es sehr schmerzhaft?«
    Sein Daumen strich über meinen rechten Mundwinkel - die Seite, auf der ich etwas spürte -, und ein elektrischer Impuls glitt über jeden unbeschädigten Nerv meines Körpers.
    »Nur für meinen Stolz«, sagte ich.
    Sein Blick verweilte lange genug auf meinem Mund, dass ich dachte, er würde mich vielleicht küssen, aber er küsste mich stattdessen auf die Wange - auf die, in der ich kein Gefühl hatte.
    »Elena, das ist Mr. Brody, mein patrón. « Er legte mir die behandschuhte Hand auf die Schulter und

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